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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
Vom Netzwerk:
Knochen glommen auf, wenn seine Kälte über sie hinzog. »Dieser Keller führt in die Khay Lhak’nihn«, sagte er. »In den Bau der Kinder der Nacht. So nannte sich der Bund zwischen Dämonen und Vampiren, damals, als unsere Völker in zahlreichen Schlachten noch Seite an Seite gekämpft haben. Er erstreckt sich über ein Netzwerk aus unzähligen Gängen. Sie boten meinem Volk auch zu späteren Zeiten Zuflucht, und wie wir haben auch die Dämonen ihre Spuren und Zeichen in ihnen hinterlassen, um im Geheimen miteinander zu kommunizieren. Wenn die Rhak’ Hontay dieses Netzwerk durchstreiften, mussten sie sich darin zurechtfinden, und ihnen war sicher nicht daran gelegen, dass jeder Vampir oder Dämon ihren Spuren folgen konnte.« Als hätten seine Worte den Befehl dazu gegeben, flammte ein blutrotes Zeichen unter seiner Hand auf. Es brach aus dem schwarzen Fleisch wie ein eiterndes Geschwür. »Um ihre Hinweise zu finden, muss ein Vampir wie die Jäger über die Magie der Dämonen gebieten. Dämonen hingegen können deren Zauber nicht fühlen, weil sie mit vampirischer Kraft gewirkt und verborgen wurden.« Wie zerreißendes Gewebe teilte sich die Wand unter einem leise gesprochenen Wort. Dahinter l ag rotglühende Dämmerung. »Still jetzt«, mahnte Lyskian und umfasste die drei Hartide mit seinem Blick. »Niemand kann wissen, welche Schrecken inzwischen in den Schatten der Khay Lhak’nihn lauern.«
    Mia und die anderen folgten ihm in einen Gang mit niedriger Decke, dessen Luft kühl und trocken war und keine Spur des Blutgestanks in sich trug, der den Keller erfüllt hatte. Die Wand schloss sich hinter ihnen, und Mia stellte erleichtert fest, dass der Gang aus gewöhnlichem Stein bestand. Doch zahlreiche Korridore zweigten von ihm ab, die Wände waren mitunter halb durchbrochen, und so hallte jeder unbedachte Schritt scheinbar endlos in dem gewaltigen Netzwerk wider. Vereinzelt sahen sie die Ruinen einst herrschaftlicher Säle, deren Böden nun von Geröll und Flechten bedeckt waren. Mia versuchte sich vorzustellen, wie die Vampire in lang vergangenen Zeiten hier unten Zuflucht gesucht hatten, doch es gelang ihr nicht, und wenn sie Lyskian betrachtete, der lautlos über den zerklüfteten Boden hinwegschritt und immer wieder über geheime Zeichen andere Wege in den Gängen öffnete, dann schien es ihr, als wäre auch er in eine fremde Welt hinabgestiegen, in ein düsteres, ungezähmtes Kapitel in der Geschichte der vampirischen Existenz.
    Mia warf den Hartiden einen Blick zu. Edwin betrachtete die Schatten in den Nischen des Ganges im steten Wechsel von Faszination und Furcht, und Radvina hatte die Arme fest um den Körper geschlungen. Trotz ihres abgebrochenen Absatzes verursachte sie kaum ein Geräusch, doch sie schaute mit weit aufgerissenen Augen von links nach rechts, als könnte sie nicht glauben, was sie sah. Jaro hingegen spazierte durch die Dunkelheit, als würde er nur darauf warten, seine Kräfte mit einem Ungeheuer messen zu können. Mia erinnerte sich an ihre ersten Begegnungen mit der Anderwelt, an ihre Flucht vor Theryon auf dem Cimetière de Montmartre und ihre Empfindungen, als sie erstmals nach Ghrogonia gekommen war. Es würde noch eine ganze Weile dauern, bis die drei Hartide sich an die neue Welt und ihre Fähigkeiten gewöhnt hatten, so viel war sicher – und sie würde alles tun, um ihnen beizustehen, ganz besonders unter diesen Umständen. Sie beobachtete, wie Edwin über eine fluoreszierende Pflanze strich, die sich die Wand hinaufzog, und lächelte ihm zu.
    »Dir wird noch vieles merkwürdig vorkommen, was du in der Anderwelt sehen wirst«, sagte sie. »Wenn du Fragen hast, kannst du sie mir ruhig stellen. Das gilt natürlich für euch alle. Ich erinnere mich gut an meine ersten Schritte in den Schatten, nie im Leben hätte ich sie ohne Hilfe heil überstanden.«
    Edwin erwiderte ihr Lächeln zaghaft. »Weißt du es schon lange?«, fragte er und schrak zusammen, als sein Flüstern von den Wänden widerhallte. »Dass du eine … Hartidin bist?«
    »Eigentlich habe ich immer schon gespürt, dass ich anders bin als andere Menschen«, erwiderte sie und bemerkte, dass Radvina aufholte und interessiert zuhörte. Jaro hingegen hielt den Blick in die Schatten gerichtet, sie konnte nicht sagen, ob er ihren Worten folgte oder mit den Gedanken ganz woanders war. »Mein Vater war ebenfalls ein Hartid, doch er ging an seiner Einsamkeit zugrunde, und Jakob, mein Bruder … Nun, er ist der einzige

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