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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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Drache mit den Flügeln. Sein Vorderteil sauste abwärts, sein Hinterteil folgte ihm eilig, aber die Ranke hieb weiter nach ihm und versank erst wieder in der Hecke, als er in Grims Klaue landete. Erleichtert begutachtete der Drache sein Hinterteil, das wieder mit ihm verschmolz, wischte sich über die Stirn und sank schlafend zusammen.
    Lyskian nickte, während Grim den Drachen mit düsterer Miene zurück in seine Tasche gleiten ließ. »Das habe ich mir gedacht«, murmelte der Vampir. »Bleibt zusammen.«
    Kaum hatte er das gesagt, schloss Radvina so dicht zu Grim auf, dass sie ihm in die Hacken trat, und Edwin machte Remis hinsichtlich kreisrunder Panikaugen Konkurrenz. Selbst Jaro hielt sich von den Pflanzen fern, die trotz vollkommener Windstille wispernd die Blätter bewegten, und Mia erschrak, als sich plötzlich tiefblaue Blütenkelche aus der Hecke schoben. Sie verströmten einen samtenen Duft, für einen Moment schwoll das Flüstern zu Gesang an, es waren verführerische Stimmen, die über den Weg strichen. Da durchzog ein stechender Schmerz Mias Schulter. Ein nadelfeiner Stachel steckte in ihrem Fleisch, Blut rann über ihre Haut, und gleich darauf schob sich direkt vor ihren Füßen eine meterhohe Hecke aus dem Boden, die sie von den anderen abschnitt. Mia erstickte einen Schrei und ballte die Fäuste. Sie waren in ein verfluchtes Labyrinth geraten. Ein spöttisches Lachen erklang, doch von den anderen hörte Mia keinen Ton mehr. Als sie den Weg zurücklief, drang nur der Lärm ihrer eigenen Schritte durch das unheilvolle Wispern der Blätter und wurde mit erschreckender Gier vom Dickicht der Hecken verschlungen. Noch immer nahm sie den Duft der Blüten wahr, der nun süß und schwer war und ihr Herz schneller schlagen ließ. Das Portal war verschwunden. Stattdessen führten andere Pfade sie weiter, doch die Pflanzen versperrten ihr den Weg, um sie in eine bestimmte Richtung zu lenken. Hilflos rief sie nach Grim und den anderen, aber ihre Namen blieben an den Dornen der Hecke hängen und zerplatzten wie Seifenblasen, und mit jedem Laut, der in dem flirrenden Blau versank, veränderte sich der Duft der Blüten. Salzig war er nun, die Stimmen wurden zum Rauschen des Meeres, und kaum, dass Mia den ersten Windzug in ihrem Haar fühlte, stellte sie fest, dass sie sich nicht mehr in einem unterirdischen Labyrinth befand, sondern am Meer. Sie war wieder fünf Jahre alt, Lucas war bei ihr, er lachte, als er mit ihr durch die Wellen rannte und sie durch die Luft wirbelte. Dann brach das Bild zusammen, Mia roch den Duft von Kerzen und Wein, sie lief über den dunklen Flur der Wohnung ihrer Eltern. In der Küchentür blieb sie stehen, sie sah Lucas am Tisch, zusammengekauert und weinend, nicht laut, damit er niemanden weckte, aber haltlos und so einsam, dass es Mia ins Herz schnitt. Gleich darauf wanderte sie durch den grauen Nebel von Paris. Menschen waren um sie herum, sie nahm keinen Duft mehr wahr und keine Wärme, sie spürte nur die Nähe der anderen, die keine wirkliche Nähe war, die Nähe derer, die sie umdrängten, die Gesichter zu grauen Schemen verzerrt, und die sie verschlingen wollten, ohne sie zu kennen. Sie stieß einen Schrei aus, ihre Stimme zerriss die Illusion. Sie fand sich in dem Labyrinth wieder, und dort, hinter einer lichter werdenden Hecke, bemerkte sie Grim und die anderen. Sie riefen nach ihr, deutlich hörte sie ihren Namen, doch als sie ihnen antwortete, blieben sie nicht stehen. Grim drehte sich um, als hätte er etwas vernommen – aber ihre Stimme erreichte ihn nicht.
    »Ich bin hier!«, rief sie, und sie spürte, wie der Weg sich hinter ihr auflöste, wie Kies und Hecken in einen namenlosen Abgrund fielen. Panisch begann sie zu rennen, sie stürzte sich in die Hecke, die sie von den anderen trennte, doch kaum, dass sich die ersten Ranken um ihre Arme schlangen, wandte Grim den Blick und zerstob mit den anderen zu Asche. Mia zwang sich, nicht die Beherrschung zu verlieren. Die Ranken fesselten sie umso stärker, je mehr sie sich zu befreien suchte, und plötzlich hörte sie ein Grollen hinter sich, gefolgt von einem höhnischen Lachen aus tausend Kehlen. Mit aller Kraft warf sie sich herum. Sie ignorierte den Schmerz an ihren Armen und starrte auf die Hecke, die sich vor ihr aufbäumte – und auf das Wesen, das mit einem Brüllen aus ihr hervorbrach.
    Es war ein kalkweißes Männchen mit dürren Gliedern und einem gewaltigen Kahlschädel, aus dem sich rote Würmer wanden. Seine

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