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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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Kutten wie die Statue, auch ihre Gesichter waren unter ihren Kapuzen verborgen, und mit einem Schlag nahm Grim die Stille wahr, die den Hof erfüllte – eine Stille, die leicht zitterte, als wäre die Luft voller Töne, die er nicht hören konnte. Verwirrt fuhr er sich an die Ohren und stellte fest, dass Mia und Remis es ihm gleichtaten. Ein dumpfes Gefühl zog ihm den Magen zusammen, ein Unbehagen, als würde er von Stimmen in einer Sprache umgeben sein, die er nicht verstand und die doch seit jeher nur die eine Bestimmung gehabt hatte: von ihm gehört zu werden.
    Lyskian strich mit der Hand konzentriert über den Boden, ehe seine Finger plötzlich starr wurden und sich in den Stein senkten. Grims Miene verfinsterte sich, als er sah, wie mühelos der Vampir seine Hand in den Marmor grub. Es gefiel ihm nicht, wenn mit Gesteinen jeglicher Art umgegangen wurde, als wären sie aus Butter, doch Lyskian lächelte in stiller Überlegenheit. Im nächsten Moment ging ein Glimmen durch seine Finger und breitete sich als rotglühendes Netzwerk über den Boden aus. Er schloss die Augen, das Lächeln verschwand von seinen Lippen. Dann zog er die Hand zurück, das Netz aus roten Adern erlosch, und er erhob sich.
    »Dies alles ist nichts als Schatten und Wind vergangener Tage«, sagte er leise und ein Ausdruck wie Schmerz glitt über seine Züge. »Doch jeder Traum hat seine Risse. Folgt mir.«
    Ohne ein weiteres Wort steuerte er auf einen Durchgang zu, der ins Innere des Gebäudes führte. Sie durchquerten Kampfsäle, die Grim mit ihren magischen Waffen an den Wänden an die Ausbildungsplätze der OGP erinnerten, Aufenthaltsräume, in denen es Kamine gab mit silbernem Feuer und Gemälde von Donner und Sturm, und Zimmer mit Beschwörungszeichnungen auf dem Boden. Und immer wieder sahen sie Abbilder der Statue aus dem Innenhof, manchmal in den Schatten, manchmal von samtenem Licht erhellt, doch stets lag ihr Gesicht in der Dunkelheit, und Grim ertappte sich bei dem Bedürfnis, ihr in die Augen schauen zu wollen. Kaum hatte er das gedacht, nahm er ein Zittern in der Stille wahr, die ihn bislang umgeben hatte. Auch die anderen hatten den Impuls gespürt, und sie folgten Grim zu einem Torbogen, der in ein düsteres Gewölbe führte.
    Angespannt schaute er in die Dunkelheit, aus der ihn das Beben berührt hatte, und erkannte nach einer Weile eine Gestalt. Sie stand hoch oben in der Luft auf einem Seil. Es war ein Rhak’ Hontay, wie all die anderen trug auch er eine Kutte, deren Kapuze ihm weit ins Gesicht hing, und einen langen, tiefschwarzen Umhang darüber. Oberhalb des Seils, so schien es, war die Luft von dunklem Sandstaub durchzogen, während sie unterhalb fast weiß war. Dennoch konnte Grim den Jäger gut erkennen, ebenso wie Mia und Remis, die mit angespannten Mienen das Schauspiel beobachteten. Auch Lyskian trat schweigend zu ihnen.
    Der Rhak’ Hontay auf dem Seil richtete sich langsam auf, und mit jeder seiner Bewegungen flossen Licht und Dunkelheit ineinander. Sie vermischten sich, ohne von ihrer Helligkeit oder ihrer Finsternis etwas einzubüßen, und während der Jäger auf dem Seil entlangging, formten sie sich zu Vögeln, zu Speerspitzen, zu heftigen Winden, und stürzten überraschend auf ihn nieder. Blitzschnell verteidigte er sich, mit nicht mehr als einer Bewegung seiner gestreckten Hand, einer Drehung seines Kopfes, einem kurzen Sprung, und sie zerbrachen zu tausend neuen Formen. Immer mehr wurden es, immer schneller stürmten sie auf den Jäger ein, und Grim spürte das Flirren der Luft auf seiner Haut. Der Rhak’ Hontay bewegte sich grazil und scheinbar mühelos, und als Licht und Schatten sich zu einem mächtigen Schwarm vereinten, erhob er sich in die Luft. Er drehte eine Pirouette, sein Umhang schlug den Schwarm zurück, und er landete erneut auf dem Seil.
    Remis seufzte erleichtert, doch schon bildete sich eine mächtige Gestalt aus dem vermengten Staub. Schuppige Glieder erhoben sich aus den Schatten, Augen voller Kälte glommen im Licht auf, und als der Drache den Kopf wandte und sein Schwanz durch das Zwielicht peitschte, strich ein Schauer über Grims Rücken. Er hatte noch nie einen Drachen aus der Ersten Zeit gesehen, kannte nur die Geschichten ihrer Bosheit und ihrer Güte, doch nun, da er den Brodem in der Kehle dieses Wesens auf seinen Wangen fühlte, wusste er, dass die Legenden der Wahrheit entsprachen: Kein Geschöpf dieser Welt war stärker, gefährlicher und zerrissener als ein Drache es sein

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