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Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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abgenutzten Ledersessel.
    Trueblood hatte ihn zu derart grässlicher, grauer Morgenstunde abgeholt, dass Melrose noch nicht einmal Zeit gehabt hatte, die Zeitung zu lesen. Dieses Ritual vollführte er nur deshalb, weil er sehen wollte, ob die Welt noch existierte, und nicht, um zu sehen, was gerade los war. Doch obwohl hier sämtliche Tageszeitungen versammelt waren, verspürte Melrose kein Verlangen, sich auch nur eine einzige zu Gemüte zu führen. Als er hinter sich jemanden mehr spürte als hörte, drehte er sich um und gewahrte den Portier des Etablissements, den jungen Higgins. Da der junge Higgins jedoch gar nicht jung war, lehnte Melrose seine Hilfe mit der Reisetasche ab. In seiner ehrlich gemeinten, wenn auch leicht atonalen Begrüßung äußerte der junge Higgins seine Freude darüber, Melrose wieder einmal bei Boring's begrüßen zu dürfen, und erkundigte sich, ob er vielleicht irgendetwas brauche. Melrose sagte, er würde später auf einen Drink herunterkommen, dankte dem jungen Higgins und trug seine Reisetasche selbst die breite, mit weichem Teppichboden belegte Treppe hinauf.
    Die Geschäftigkeit im Klubraum hatte bis um sieben Uhr mit Vor-Abendessen-Gesprächen beträchtlich zugenommen, wobei die gute Stimmung sowohl dem Whisky zuzuschreiben war wie auch der Gewissheit, dass alsbald das Abendessen serviert werden würde. Ein halbes Dutzend Klubmitglieder saß bereits hier, trank oder hielt ein Nickerchen, und Melrose winkte Oberst Neame zu, der immer im selben Sessel am Feuer saß, normalerweise in Gesellschaft seines Freundes Major Champs.
    Richard Jury und Melrose Plant tranken einen sehr feinen Malt Whisky und befanden sich mit ihrer Unterhaltung im Sturzflug in die Belanglosigkeit: Sie schlossen wieder Wetten ab, was es zu essen geben würde.
    Melrose knallte einen Fünfpfundschein auf den Tisch und sagte: »Vorspeise: Windsorsuppe.«
    Jury runzelte die Stirn.
    »Fünf Pfund Sind Sie wahnsinnig? Ich bin Staatsdiener, ich kann es mir nicht leisten, für drei Gänge womöglich fünfzehn Pfund zu verlieren. Na gut, Windsorsuppe hatte ich auch sagen wollen.« Er kramte in seiner Hosentasche nach Kleingeld, bewegte dabei die Lippen und rechnete leise. »Ein Pfund siebzig, kommt wohl eher hin.«
    Melrose stöhnte und tat so, als würde er sich die Haare raufen, als ihm ein junger Diener mitteilte, er hätte einen Anruf und ob er ihn am Empfang entgegennehmen könnte? Melrose entschuldigte sich, und als er den Raum verließ, stand Jury auf und ging zu Oberst Neame ans Kaminfeuer hinüber.
    Trueblood war am Apparat und wollte die Abfahrtszeit nach Heathrow festmachen.
    »Um Himmels willen, doch nicht so früh.«
    »Sie wissen, wie es heutzutage mit der Sicherheit ist.«
    Sie stritten herum und einigten sich schließlich auf eine Uhrzeit. »Wie geht's Miss Ickley? Was hält sie von dem mutmaßlichen Masaccio?«
    »Sie ist noch etwas unschlüssig.«
    Melrose legte auf und kehrte in den Klubraum zurück, wo Jury ihnen noch eine Runde Whisky bestellt hatte.
    Jury sagte: »Okay, wir sind immer noch bei der Vorspeise. Ich lasse Ihnen die Suppe und nehme Crevettencocktail... nein, nein, ich würde sagen - Avocado, gefüllt mit Stilton.«
    »Gefüllt mit Stilton? Ziemlich ausgefallen für Boring's.«
    »Tja, Avocado auf die Art zubereitet ist in London der letzte Schrei.«
    »Hauptgang: Dover-Seezunge.«
    »Na, hoffentlich«, sagte Jury. »Ich liebe Dover-Seezunge. Ich würde aber sagen... Milchlamm. Nein, es ist ja noch nicht Frühling, also sagen wir einfach, Lamm.«
    Melrose runzelte die Stirn. »Ein Lamm ist immer ein Milchlamm, oder? Also gilt trotzdem Milchlamm. Dann ändere ich meins aber und sage Hasenpfeffer.«
    »Hasenpfeffer? Haben die das denn hier? Der Geschmack ist gewöhnungsbedürftig, nicht?« Melrose machte eine ausladende Geste durch den Raum. »Was tun wir hier denn anderes als uns an Geschmäcker gewöhnen?«
    Jury knurrte unwirsch. »Man darf aber doch gar nicht von dem abgehen, was man zuerst genannt hat.«
    »Gütiger Himmel! Sie sind vielleicht ein Kümmelspalter. Und überhaupt, seit wann haben wir eigentlich Regeln aufgestellt?«
    »Hasenpfeffer würde mir vermutlich gar nicht schmecken. Wenn ich einen Haufen militanter Tierschützer sehe, werde ich depressiv und muss an Carrie Fleet denken. Erinnern Sie sich?«
    »Wie könnte ich es je vergessen?«
    Sie tranken eine Weile schweigend vor sich hin und erinnerten sich beide an Carrie Fleet, beide überwältigt von immenser Traurigkeit.

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