Grimes, Martha - Inspektor Jury 20 - Inspektor Jury kommt auf den Hund NEU
nützt Ihnen was bei Ihrer Überprüfung? Herumzusitzen und Physiklehrbücher zu lesen? Der Fall Danny Wu muss aufgeklärt werden.«
Jury überlegte. »Ach so, ich wusste gar nicht, dass der sich zu einem >Fall< ausgewachsen hat.«
»Selbstverständlich ist es ein Fall. Was reden Sie da überhaupt? Sie sind ihm doch seit Jahren hinterher!«
»Ich besuche seit Jahren sein Restaurant, stimmt.«
Racer ließ seinen Füller auf den Schreibtisch fallen. »Mann, Jury, Sie wissen doch, dass die Hälfte aller Morde in den Docklands auf ihn zurückzuführen ist. Er steckt mit dieser Bande unter einer Decke, die haben Messer zwischen den Zähnen.«
»Er nicht.«
»Was? Aber selbstverständlich!«
Jury schüttelte feierlich den Kopf. »Danny Wu ist kein Vereinsmeier.«
»»Vereinsmeier? Himmel noch mal, wir reden hier nicht von Pfadfindern oder Jungscharmädels! Hier geht es um die Triaden. Die sind schlimmer als die Mafia.«
»Was Danny Wu auch tut, er agiert im Alleingang. Das können Sie mir glauben.«
»Und der Tote auf seiner Türschwelle?«
Jury zuckte die Achseln. »Vielleicht kommt die Gerichtsmedizin ja mit
brauchbarer DN S daher. Vielleicht auch nicht.« Jury warf Racer ein Lächeln zu.
»Ich will, dass Sie an der Sache dranbleiben. Los, los.« Mit diesen Worten winkte Racer ihn ungehalten weg.
Jury ging, wobei er sich fragte, weshalb er eigentlich hergekommen war.
11
»Der junge Higgins, Sir«, sagte der Portier an der Rezeption, »bestimmt war der es, der den Anruf entgegengenommen hat.«
Melrose las die Nachricht erneut durch, aus der er absolut nicht schlau wurde und die offenbar von Agatha stammte. Daher auch die Verwirrung, für die er, falls jemand anderes der Anrufer gewesen wäre, den jungen Higgins (und dessen Krakelschrift) verantwortlich gemacht hätte.
Er war auch vor einer Stunde nicht »außer Haus« gewesen, sondern hatte im Klubraum dösend in einem Ohrensessel gesessen, vor sich ein munter prasselndes Feuerchen, in der Hand den obligatorischen Whiskey vor dem Mittagessen und in die Lektüre von Pollys Buch versunken, das er bei Hatchards erstanden hatte. Er hatte das Gefühl, als wären seine Augenlider künstlich aufgestemmt. Er hatte beschlossen, das Buch tatsächlich zu lesen, damit ihm nicht noch einmal, wie am Vorabend beim Essen, irgendwelche peinlichen Bemerkungen unterliefen. Schließlich hätten sich seine Kommentare auf alles Mögliche beziehen können - auf Beano-Comics ebenso wie auf die Romanverfilmung Die goldene Schale.
Pollys neuestes Werk trug den Titel Die Welt der Gourmandise, was ihn wohl kaum geärgert hätte, wenn es sich tatsächlich um eine Satire oder eine Parodie auf Prousts Werk gehandelt hätte. Das war es aber nicht. Er würde ihr sagen, dass sie nicht einfach dauernd mit Marcels Titeln herumspielen konnte und dass es nicht besonders schlau war, einen Vergleich heraufzubeschwören oder den Leser aufs Glatteis - oder in die Welt der Guermantes - zu führen. Denn schließlich ging dieser arglos davon aus, es mit einer Parodie zu tun zu haben. Ja, und die meisten Leute wären entzückt, eine Verulkung von Proust zu lesen, denn sie kamen sich immer schuldig, dumm und ungebildet vor, weil sie es nie über jene Madeleine-Passage hinaus geschafft hatten, die etwa auf Seite dreißig vorkam. Wonach einem dann nur noch ein paar tausend Seiten blieben.
Ungefähr dort war er in ihrem neuen Buch gerade angekommen, auf Seite sechsunddreißig, hatte also leider noch dreihundert Seiten zu lesen.
Melrose mochte keine Kriminalromane. Bis auf zwei oder drei Ausnahmen waren Krimis heutzutage einfach zu dämlich, als dass sie einen recht zu fesseln vermochten. In dem vorliegenden betrieben die im Titel genannten »Gourmands« ein ziemlich weit außerhalb von London gelegenes Restaurant, das - mochte Melrose wetten - den Quatre Saisons nachempfunden war, wo Polly seines Wissens einmal gespeist hatte. Der Küchenchef in ihrem Buch hatte sich für zehn seiner hoch geschätzten Gäste - durch die Bank lauter Gourmands -ein unbeschreibliches Festmahl ausgedacht.
Oje, oje, dachte Melrose, ich frage mich, was da wohl passieren wird?
Als wüsste es nicht jeder, außer den Figuren im Buch, die alle miteinander dumm wie Bohnenstroh waren, abgesehen vom Küchenchef selbst, den Melrose recht sympathisch fand, weil ihm die
Sachen gefielen, die dieser kochte und für deren Zubereitung er nebenher auch noch komplizierte Anweisungen erteilte. Darum ging es über ein Gutteil der dreißig
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