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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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aus Puerto Rico; sein Daddy vom Mississippi. Sein Daddy habe den besten Blues gespielt, den er bislang zu hören gekriegt hatte.
    »Ist bei Earl Hooker in die Schule gegangen. Keiner konnte spielen wie mein Daddy, außer vielleicht Robert Johnson, Otis Rush.«
    Jury lächelte. »Und Sie?«
    Jiminez lachte. »Ich? Teufel auch, ich tauge doch bloß zum Hinterhofblues.« Er schenkte sich Kaffee aus dem Silberkännchen nach. »Hab mir nie was aus dieser wahnwitzigen Runterfetzerei gemacht. Nicht etwa, daß ich sie schlechtmachen will. Gibt keinen Gitarristen, der soviel Power hat wie Van Halen. Ich steh einfach nicht auf diese Solonummern wie >Spanish Fly<. Ist mir zuviel Metal; hier mehr als bei uns in den Staaten. Vergessen Sie Metal. Ich steh nun mal auf das barocke Zeugs. Unsere Musik ist nicht bloß ein stupider Rhythmus oder zehntaktige Sequenzen« - seine Hand glitt eine imaginäre Griffleiste entlang - »sie ist - nun, wählerischer vielleicht.«
    Nicht nur sein Vokabular veränderte sich, wenn er auf seine wahre Liebe - den Blues - zu sprechen kam, auch seine Stimme wurde dunkler. Nach seinem Benehmen zu schließen, war er ein gebildeter Mann. Und obgleich Alvaro die treibende Kraft hinter der Band war - er hatte sie zusammengestellt -, war doch keine Spur von Häme oder Eifersucht zu spüren, wenn er auf Charlie Raine zu sprechen kam (der mittlerweile alle Sensationsblätter, die Medien und die Titelblätter der Illustrierten okkupierte). Das mochte daran liegen, daß Charlie keinen Wert darauf legte, daß es ihm egal war. So jedenfalls behauptete Jiminez.
    »Ich hab jede Menge Respekt vor Charlie. Der bleibt auf dem Teppich. Der pfeift auf Ruhm und Geld und auch auf die Fünftausend-Watt-Scheinwerfer, die auf ihn gerichtet sind. Ich hab ihn gefragt: >Charlie, was willst du eigentlich?< Und er lächelt nicht mal und sagt: >So gut werden wie du.«< Alvaro lachte in sich hinein und schüttelte den Kopf. »Und das meint er auch so.«
    Jury lächelte. »Ist er so gut?«
    Alvaro lachte schon wieder, während er eine dünne Zigarre aus der Kiste auf dem Teetisch herauspflückte. »Natürlich nicht. Sehen Sie’s mal von dieser Seite: ich hab Charles fünfzehn Jahre voraus. Fünfzehn Jahre in Kneipen, in Jazzkellern« - er blickte Jury durch die aufflackernde Flamme seines Feuerzeugs an -, »aber er könnte irgendwann so gut werden.«
    »Dann hätten Sie ihm immer noch fünfzehn Jahre voraus.«
    Alvaro schüttelte den Kopf und lehnte sich zurück. Rauch ringelte sich zur Decke, er blies danach, verteilte ihn. »Ich kenn einfach keinen Gitarristen, der sich so auf seine Musik konzentriert. Das ist mehr als bloße Konzentration; er geht dann auf. Man darf sich nämlich nicht auf das ganze RockstarGetue einlassen. Auf der Bühne, das ist eine andere Sache, da man muß sich richtig verkaufen, aber wenn man die Klampfe weggepackt hat, dann muß man, wie Sly Stallone gesagt hat, nach Haus zu Mama gehen und Spaghetti essen. Als ich noch jung war, da hab ich mir nie überlegt, ob man mich mit einem Vertrag verheizt oder ob mein Agent Mist gebaut hat mit der Einkommensteuererklärung. Damals hab ich nur gespielt, um zu spielen. Damit will ich sagen: Man muß das ganze Drumherum vergessen können und einfach spielen. Mich muß keiner daran erinnern, wie ich vierzehn war und noch ganz grün hinter den Ohren und mit meinem Daddy getingelt bin; ich hab in Mississippi nämlich noch ’ne Menge Freunde, die mich fragen: >Immer noch mit deinem Gitarrenkasten unterwegs? Was ist denn drin, Koks? Crack?< Ich hab einen Freund, der spielt fast so gut wie Stevie Ray Vaughan, und der stößt mich immer wieder drauf, daß ich gar nichts kann, und dann sitzen wir da und improvisieren und ich merk, daß ich keine Sekunde zu früh von der Bühne runter bin. So geht’s Charlie auch.«
    »Ist das der Grund, warum er aufhört?«
    Jiminez hob die Schultern. »Da kann ich bloß raten. Außer, daß er es satt hat und was Neues ausprobieren will -davon faselt er jedenfalls -, sonst gibt er keinen Grund an. Und auch keinen Grund, warum er die Terminplanung umgeworfen hat. Eigentlich sollten wir diese Woche in München auftreten. Den Manager hat bei der Umbuchung fast der Schlag getroffen.«
    »Ergibt keinen Sinn.« Jury blickte zur Decke und betrachtete den prächtigen, leicht rosa schimmernden Kristallüster. »Sie sagen, er ist mit Leib und Seele dabei, geht in seiner Musik auf. Für mich klingt das nach Ehrgeiz. Aber er hört ganz oben, oder fast

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