Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
hatte Angst, sie könnte zur Polizei gehen. Sie hätte es wohl kaum geschafft, sich mit Ihnen zu unterhalten, ohne sich zu verraten. Vielleicht war das kaltherzig. Ich weiß auch nicht.«
    »Mir kommt es keineswegs so vor. Weiter.«
    »Onkel Owen hat gesagt, keine Bange. Ich sollte ihn nur machen lassen, untertauchen - er würde schon einen Weg finden, mir Geld zukommen zu lassen. Und das hat er auch. Eine Menge Geld.«
    Jury lächelte. »Ihr Onkel ist mir nie wie eine Spielernatur vorgekommen.«
    »Was?« Der junge Mann runzelte die Stirn. »Ach, nichts. Sie sind dann nach Irland gegangen?«
    »Ja. Von Stranraer nach Larne. Und da habe ich dann Wes kennengelernt.« Er lächelte. »Wes hatte mehr als nur Talent. Er hatte Kontakte - kannte beispielsweise jemanden in der Stadtverwaltung, der jemanden kannte, der wiederum jemanden kannte, der Pässe fälschte.«
    Auf einmal fiel hinten im Saal Licht auf die Wand, als eine Tür aufging und wieder zuklappte. Wer auch immer eingetreten war, er war hinten stehengeblieben oder hatte sich gesetzt.
    Wetten, daß es Mary Lee ist, dachte Jury und lächelte. Dann fiel ihm wieder ein, wie Charlie ihr ein Autogramm auf den durchsichtigen Schuh gegeben hatte.
    »Je länger ich dichthielt, desto schuldiger fühlte ich mich«, sagte Charlie gerade. »Und je schuldiger ich mich fühlte, desto schwieriger wurde es, etwas zu unternehmen, zurückzukehren oder auszusagen. Der alte Teufelskreis der Schuld. Warum hatte ich nichts zu seiner Rettung getan?«
    Die Frage war rhetorisch, aber Jury beantwortete sie dennoch. »Weil Sie wußten, man würde Sie umbringen, verdammt noch mal.«
    Charlie legte die Stirn an die Griffleiste der Gitarre und schloß die Augen. »Aber später habe ich auch nichts unter-«
    »Aber ja doch. Sie haben geglaubt, wenn Billy gelebt hätte, dann wäre aus ihm ein äußerst erfolgreicher Konzertpianist geworden -«
    »Wäre es auch.« Charlie zog die Gitarre wieder auf den Schoß.
    »Das möchte ich bezweifeln.«
    Charlie warf ihm einen scharfen Blick zu. »Jedenfalls haben das alle geglaubt.«
    »Sein Vater. Nicht Billy. Und Nell Healey nicht so ganz. Er hat doch ungern geübt, oder?«
    »Ja. Aber er war ein Naturtalent.«
    »Ach, Toby. Wenn einer Bescheid weiß, dann Sie: Auch ein Naturtalent muß üben wie verrückt, wenn es die Höhen erreichen will, die Roger Healey für seinen Sohn ausersehen hatte. Billy war faul. Das hat Irene Citrine gesagt. Sie waren das genaue Gegenteil. Willensstark. Oder wie Ihre Tante es ausgedrückt hat, dickköpfig.«
    Charlie mußte lächeln. »Schon möglich.«
    »>Schon möglichNaturtalent<; Sie konnten gar nichts spielen. Das heißt, Sie konnten so lange nichts spielen, bis Ihre Schuldgefühle Sie dazu trieben, die Laufbahn einzuschlagen, die Nells Sohn nicht mehr einschlagen konnte; es muß Zeiten gegeben haben, da wären Sie am liebsten statt seiner gestorben.«
    »Stimmt.«
    »Und das sind Sie auch. In gewissem Sinne sind Sie Billy geworden. Es muß die Hölle gewesen sein. Keine musikalischen Neigungen, kein Hintergrund, angeblich kein Talent. Ich habe Sie auch für Billy gehalten.«
    »Sie haben mich für - weshalb?«
    Und Jury erzählte ihm von den Gedichten, dem Bild und dem Eindruck, den Charlie angesichts des Mordfalles Healey auf ihn gemacht hatte. »Sagen wir, ich habe Sie für Billy gehalten, weil Sie unmöglich Toby Holt sein konnten. Und nur Toby hätte das alles wissen können.«
    »Wenn Sie zwölf, dreizehn Stunden pro Tag üben, dann brauchen Sie keinen Hintergrund mehr. Wie oft habe ich mir die Finger der linken Hand blutig gespielt. Ich habe Verbandsmull drumgewickelt, einen Chirurgenhandschuh übergezogen und weitergeübt. Eine Art Märtyrer, was?«
    »Und der wollen Sie anscheinend bleiben, wenn Sie auf dem Höhepunkt Ihrer Karriere aufhören. Mir haben Sie erzählt, Sie hätten alles erreicht, was Sie erreichen wollten, und ich habe mich gefragt, was Sie damit wohl meinten. Sie hören also auf. Und was dann? Wollen Sie in West Yorkshire leben und Schäfer werden? Oder Parkwächter?«
    »Ich muß nach Haus; ich muß erzählen, was wirklich passiert ist; ich möchte sie sehen.«
    »Ja, ich weiß. Aber glauben Sie ja nicht, Sie könnten dort für immer bleiben. Das ist nichts mehr für Sie. Dieses Mal könnte es Sie wirklich das Leben kosten.«
    »Ganz schön melodramatisch. Ich dachte eigentlich an Abby. Ihre Tante ist tot, da braucht sie sicherlich Hilfe.«
    Abby. Ja, die hätte schon lange

Weitere Kostenlose Bücher