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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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und sich anscheinend eine recht große Rosine aus dem Kuchen herausgepickt, Sir Robert Crewes, Safari-Fan, Ritter des Royal Victoria-Ordens, was mehr war als der Orden des britischen Empire, den ein Vetter von ihr ergattert hatte. Der Titel schien Mavis Crewes tief beeindruckt zu haben, obwohl es unter Beamten, Mitgliedern des königlichen Haushalts und Diplomaten von Ritterwürden nur so wimmelte. Wahrscheinlich köderte man die Leute mit einem Titel, damit sie sich bereitwillig noch in den letzten Winkel der Erde versetzen ließen, um ihr Land zu repräsentieren.
    Jury bezweifelte durchaus nicht, daß Mavis Crewes’ Kummer echt war; er überlegte lediglich, ob sie überhaupt zu tieferen Gefühlen fähig war - abgesehen vielleicht von dem giftigen Zorn auf Healeys Ehefrau. Obwohl sie sie als solche nicht einmal gelten zu lassen schien: »Diese Frau«, so nannte sie Nell Healey, wann immer die Rede auf sie kam.
    »Eiskalt«, sagte sie jetzt und drehte dabei unentwegt das zarte Glas zwischen Daumen und Zeigefinger, als wäre es ein Stengel, den sie abbrechen könnte. Sie seufzte. »Diese Frau.«
    »Erzählen Sie von ihr, Mrs. Crewes.«
    »Nell war die zweite Frau.« Jury wunderte sich, daß Mavis Crewes, die selber als Zweitfrau alle Rekorde geschlagen hatte, das überhaupt erwähnte. »Und nicht die Mutter des Jungen.« Sie warf Jury einen Basiliskenblick zu.
    »Was geschah mit der Mutter?«
    »Machte sich in die Schweizer Alpen davon. Verunglückte beim Skilaufen.«
    »Sie meinen, die Stiefmutter machte sich nichts aus Billy?«
    Entweder hatte er das Falsche gesagt, oder er hatte den falschen Ton angeschlagen. Sie lehnte sich wieder zurück, ließ die Arme auf den Lehnen des weißen Korbstuhls ruhen und knackte mit den Fingern. »Superintendent, das klingt, als stünden Sie auf ihrer Seite. Erstaunlich, wirklich. Aber Sie kennen sie eben nicht gut genug.« Sie schenkte ihm ein schmales, schlaues Lächeln, so als bestünde zwischen ihnen irgendeine Abmachung. »Ich bin mir nicht sicher, welche Rolle Sie in dieser Sache spielen. Was untersuchen Sie eigentlich? Daß sie Roger umgebracht hat, steht außer Frage.
    Fragt sich nur, wie sie es geschafft hat, bis zum Prozeß auf freiem Fuß bleiben zu können. Aber Frauen wie Nell Healey bekommen anscheinend immer, was sie wollen. Die ist aus Marmor, aus Stein.«
    Jury hoffte, daß sein Lächeln seine Worte wettmachte. »Stein stößt oft auf harten Widerstand.«
    »Falls Sie damit andeuten wollen, daß Roger ein harter Mensch war, irren Sie sich gewaltig. Er war vollkommen am Boden zerstört. Sie haben ihn nicht gekannt. Sie haben seine Wärme, seinen Charme, seinen -«
    »Aber Sie«, sagte Jury unschuldig.
    Gerissen, wie sie ihm auswich. »Sie hatten nichts miteinander gemein. Er reiste gern, liebte neue Erfahrungen, neue ... Sinneseindrücke. Er war lebenslustig. Sie war es zufrieden, immer nur in diesem gottverlassenen Winkel von Yorkshire zu hocken ...« Ihr Blick wanderte zu den Masken und Gewehren; für sie schien Tansania näher zu liegen.
    »Mit Billy«, sagte Jury. Ein blitzender Blick. »Ich nehme an, Sie sind dort zu Gast gewesen.«
    »Ja. Mehrfach. Charles Citrine liebte Roger wie seinen eigenen Sohn.«
    »Das klingt, als sei Mr. Healey ein idealer Ehemann, Vater ... und Freund gewesen.« Das Wort blieb in der Luft hängen. »Martin Smart hat ihn bewundert.« Er versuchte ein Lächeln, doch es wollte nicht recht gelingen.
    »Ach, Martin .« Sie vergaß das Wasser aus Evian und griff nach der Whisky-Karaffe und tat Jurys Einwurf mit einem Blick ab. »Martin scheint das Verlagswesen für eine Art Spielwiese zu halten; er stellt manchmal völlig un geeignete Leute ein -«
    »In den Büros, an denen ich vorbeigekommen bin, sahen eigentlich alle sehr adrett aus.«
    »Dann sind Sie nicht bei Morpeth Duckworth vorbeigekommen. Mein Gott. Was für ein gräßlicher Mensch. Kaum zu glauben, aber den habe ich doch eines Tages mit Schrubber und Eimer in meinem Büro erwischt. Beim Saubermachen.«
    Jury strich sich mit der Hand über den Mund. »Warum?«
    »Weiß der Himmel. Aber er sieht ja auch aus wie ein Hausmeister. Bei anderen hat er das auch schon gemacht. Sogar bei Martin. Der findet es umwerfend lustig. Ich glaube, Duckworth schnüffelt in unseren Unterlagen herum. Er ist Amerikaner.«
    »Oh.«
    Er hörte ihre kalbsledernen Stiefel knarren, als sie sich in ihrem Korbsessel bewegte und ein Bein übers andere schlug. »Wieso stellen Sie mir diese Fragen? Was hat das

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