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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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unsicher jedoch, und ihre Hand ließ auch den porzellanenen Türknauf nicht los; sie schwenkte die Tür ein wenig hin und her, biß sich auf die Lippen und schien zu meinen, daß sie in dieser Position verharren müßte, bis Mr. Smart auftauchte.
    Jury trat ein und nahm in einem teuer aussehenden Ledersessel Platz, der so weich war, daß er darin zu versinken meinte. Dunkelgrüne Wände, unter altgoldenem Stuck altgolden abgesetzt, Bücherregale vom Boden bis zur Decke, ein Schreibpult aus Mahagoni, das als Barschrank diente, ein mächtiger Schreibtisch, italienische Ledermöbel: alles schien nur auf die Rückkehr des hohen Herrn zu warten. Auf dem Schreibtisch selbst stapelten sich Papiere und Zeitschriften, kunstvoll nach >Eingang< und >Ausgang< geordnet. Jury verrenkte sich den Hals nach dem Barschrank. Hier gab es keine Katze; Mr. Smart gab sich mit Courvoisier und handgeschliffenem Kristall zufrieden. Das ganze Büro sah handgearbeitet aus. Ja, Jury hatte noch nie ein Büro gesehen, das so von seinem Besitzer zeugte - alles maßgefertigt und auf einen ganz speziellen Geschmack zugeschnitten.
    Jury drehte sich um und wollte schon aufstehen, als ein Angestellter (der einzige, den Jury in den ganzen Büros hier gesehen hatte, der nicht in Schale war) hereingelatscht kam und dabei eine Papierspur hinter sich zurückließ, die restlichen Unterlagen auf den Schreibtisch knallte und Jury im Fortgehen zunickte.
    Zumindest dachte Jury, daß er wieder gehen wollte. Statt dessen schob er die Hände in die verschwitzten Achselhöhlen und fragte Jury in geistesabwesendem und recht unfreundlichem Ton, was er wolle. Ehe Jury jedoch antworten konnte, umschiffte er den Schreibtisch von der Größe eines Sees, setzte sich und stiftete binnen fünf Sekunden ein heilloses Durcheinander unter den Papieren.
    Martin Smart schnalzte gereizt mit der Zunge und brummelte, warum sie, zum Teufel, die Finger nicht von seinen Sachen lassen konnte, wie sollte er da wohl, verdammt noch mal, etwas wiederfinden? Die säuberlich gestapelten Aktendeckel auf dem Schreibtisch versanken in dem Sturm, den seine Hände entfesselten. Dann steckte er sich zufrieden einen kalten, ziemlich zerfledderten Zigarrenstummel in den Mund und verschränkte erneut die Arme. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?« fragte er. »Ach, lassen Sie doch.«
    Jury hatte sich nämlich gebückt und wollte ein paar der Papiere aufheben, die Smart in seinem Kielwasser zurückgelassen hatte.
    »Da unten finde ich sie leichter wieder. Was kann ich für Sie tun?« wiederholte er um seine kalte Zigarre herum. Jetzt fahndete er anscheinend unter den Papieren nach Streichhölzern, gab es auf, zog eine Schublade auf, spähte hinein, gab auch das auf und fragte Jury, ob er etwas zu trinken haben wolle.
    »Nein danke. Feuer?«
    Smart rupfte sich die Zigarre aus dem Mund, bemerkte ihren beklagenswerten Zustand, zuckte die Achseln und sagte: »Ach, was soll’s?« und legte sie auf seine Papiere. »Sie sind Superintendent, richtig?«
    »Richtig.«
    Mr. Smart schürzte die Lippen und schüttelte verwundert den Kopf. »Wie haben Sie es soweit gebracht? Was muß man tun, damit man es bis da oben schafft?«
    Das hörte sich nach echtem Interesse an, als wollte er einen Artikel über Jury bringen oder sich selbst bei der Kriminalpolizei bewerben.
    »Da oben ist die Luft gar nicht so dünn, wie man so denkt. Über mir ist noch der Chief Superintendent, dann der Stellvertreter des Polizeipräsidenten und der Polizeipräsident selber. Über Ihnen ist niemand.«
    Diese Analogie schien Martin Smart zu gefallen. Er grinste breit. »Falsch. Sie vergessen die Leser.« Er kniff die Augen zusammen, beugte sich über seinen Papierwust und sagte: »Superintendent Jury. Jury, Jury, Jury?« Mit dem Zeigefinger skandierte er den Takt. »Wo habe ich diesen Namen schon mal gehört? Teufel auch. Sie waren da oben in Yorkshire, als -«
    »Roger Healey erschossen wurde.« Irgendwie schaffte es Jury nicht, ermordet zu sagen.
    Smart schlug sich an die Stirn. Er fuhr herum und rollte in seinem ledernen Drehstuhl zum grün umhangenen Erkerfenster, aus dem er hinausstarrte wie ein an den Rollstuhl gefesselter Krankenhauspatient. Dann drehte er um und bewegte den Stuhl Zentimeter um Zentimeter zurück. »Roger.« Er trieb eine Zigarette und ein versilbertes Feuerzeug auf, die sich unter einen Stapel alter Exemplare von Segne verirrt hatten. »Teufel auch.«
    »Sie standen ihm nah?«
    »Das nun auch wieder nicht.

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