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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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seinerzeit eingelegt hatte, stellte sich die Frage, wie er eigentlich jemals ans Ziel gekommen war. Eins stand jedenfalls fest; was die Reisezeit anging, hatte er reichlich Überstunden gemacht. Melrose schloß die Augen und malte sich den Prinzen mit Agatha als Reisegefährtin aus. In diesem Fall hätte das Gasthaus, das heute »Zum großen Schweigen« hieß, gewiß nicht diesen Namen bekommen .
    »Schlafen Sie immer im Stehen?«
    Er wußte, daß es Jury war, aber er machte die Augen nicht auf. »Ich mußte gerade an Agatha denken.« Jemand drückte seine Schulter.
    »Ach so.«
    Sie hatten die Speisekarte studiert und sich für Hecht im Schlafrock entschieden.
    »Der Name hat es mir einfach angetan«, sagte Melrose Plant. »Ich kann mir den Hecht so richtig vorstellen«, fuhr er fort, »in türkisch gemusterter Seide, uni paspeliert.«
    Bei einem Teller Ochsenschwanzsuppe berichtete Melrose dann von seinen Erlebnissen und staunte beim Erzählen selber, daß sich das alles im Laufe eines einzigen Tages zugetragen hatte. »Nicht zu fassen, daß ich erst heute morgen mit Agatha und ihrer Freundin Tee getrunken habe. Natürlich hat Agatha gewisse Qualitäten, die sich räumlichen und zeitlichen Dimensionen entziehen. Fernes Geheul in den Wäldern jenseits von Ardry End .«
    »Die Suppe schmeckt großartig«, sagte Jury und fuhrwerkte mit dem Pfefferstreuer herum.
    »>Die Suppe schmeckt großartig<«, wiederholte Melrose aufseufzend. »Der einzige Mensch, der eine noch poetischere Ader hat als Sie, ist meines Wissens Divisional Commander Macalvie. Wahrscheinlich hat Macalvie in der Zeit, als Sie sich bei den Citrines herumgetrieben haben und ich in Weavers Hall gar prächtig unterhalten wurde, mindestens drei Fälle gelöst.«
    »Vier«, sagte Jury und hielt vier Finger hoch. »Einen Überfall mit Körperverletzung, einen Mord, zwei Einbrüche. Ich will nach Cornwall; ich möchte mich im Ferienhaus der Citrines umsehen.«
    »Glauben Sie, daß Sie dort die Antwort finden?«
    »Möglicherweise die Frage.«
    »Sie hören sich an wie Gertrude Stein. Polizeiarbeit stelle ich mir eigentlich konkreter vor.«
    »Konkreter?« Jury schüttelte den Kopf. »Ich will damit nur sagen, ich habe so ein Gefühl, als ob die falschen Fragen gestellt worden sind. Aber das ist nichts Neues.« Jury blickte sich um. »Wo bleibt der Fisch im Nachthemd? Ich kann es kaum noch erwarten.«
    Das »Nachthemd« stellte sich als Pergamentpapier heraus. Dampf hatte die glänzende Oberfläche aufgebläht, und jetzt schwebte die scharfe Schere der Kellnerin über Melroses Portion. Sie schnitt die knisternde, dampfgefüllte Pergamenthülle auf, und schon duftete es aromatisch nach Wein, Kräutern, Knoblauch und (teilte sie flüsternd mit) einem Spritzer Brandy. Der würde die Nasenlöcher auch des hartnäckigsten Nebenhöhlenpatienten freigepustet haben.
    »Das hier könnte Ihrem Sergeant für die nächsten zehn Jahre die Arztbesuche ersparen«, meinte Melrose.
    »Es riecht einfach umwerfend«, sagte Jury mit einem ebenso umwerfenden Lächeln.
    Die Kellnerin machte rasch kehrt, entfloh zur Küche und warf die Tür hinter sich zu.
    »Nell Healey war also mit Ann Denholme befreundet?« fragte Jury, nachdem sie ein Weilchen in weihevollem Schweigen geschlemmt hatten.
    »Ich wiederhole nur, was ich von Major Poges und der Principessa gehört habe. Und die haben es möglicherweise von der scheintoten Ruby, wer weiß? Oder vielleicht hat es Ann Denholme erwähnt; ich könnte mir durchaus vorstellen, daß bei dem Rummel ganz Weavers Hall durcheinandertratscht.« Melrose hob einen Löffel Fischsud zum Mund. »Das einzige, was daran noch fehlt, ist ein Hauch Old Peculier. Recht wohlschmeckend und auch recht praktisch, wenn man seinen Aperitif, den Tischwein und den Verdauungsschnaps in einem einzigen Pergament serviert bekommt. Ungemein zeitsparend.«
    Jury war fast fertig mit Essen. »Erzählen Sie mir mehr von Weavers Hall.«
    »Da geht es zu wie im Kabarett. >Tamara<, pardon, >Tämärä<, was für ein Pseudonym! Aus New Yaak.« Er legte den Löffel hin. »Außer, daß .«
    »Außer, daß .?«
    Melrose hob die Schultern. »Es ist ein Geisterhaus ...« Ihm lag etwas anderes auf der Zunge, doch da er nicht wußte was, sagte er achselzuckend: »Ich weiß auch nicht. >Geisterhaus< trifft es nicht. Aber ich finde nicht das richtige Wort. Unheimlich? Nein.« 
    Und wieder überkam Melrose jene Angst, die er verspürt hatte, als er draußen auf dem Hof gestanden und

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