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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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sich nur um des Lichtscheins willen eine Zigarette angezündet hatte.
    »Mir egal, ob es das richtige Wort ist. Was für ein Gefühl hatten Sie?« Jury schob seinen Teller fort.
    »Was sehen Sie mich so an? Ich habe Ihnen doch gerade einen abendfüllenden Bericht über die letzten drei unterhaltsamen Stunden in Weavers Hall geliefert.« Und Melrose beschrieb die Szene.
    »Wichtiger als die Einzelheiten ist vielleicht ihre Wirkung auf Sie.«
    »Und das von einem Polizisten und Superintendent? Sie sagen, daß Einzelheiten vielleicht weniger wichtig sind? Sie wollen Gefühle?«
    »Warum sagen Sie nicht das erste, was Ihnen in den Sinn kommt?«
    »Tristesse«, sagte Melrose. »Undurchsichtig«, fügte er hinzu. »Ein Abgrund, Traurigkeit, zwanghafte Traurigkeit.«
    Jury schob seinen Teller noch weiter fort, verschränkte die Arme und dachte an Nell Healey.
    »Sie wissen, daß niemand anders als Nell Healey ihren Mann erschossen hat«, sagte Melrose. »Es geht nicht um Schuld oder Unschuld.«
    »Es geht um das Motiv.«
    »Glauben Sie etwa im Ernst, Sie könnten sie retten, wenn Sie dahinterkommen?« fragte Melrose stirnrunzelnd.
    »Ja.«
    Melrose zückte sein Zigarrenetui. »Für mich hört es sich an, als ob sie nicht gerettet werden möchte. Wie, wenn sie sich wegen des nicht gezahlten Lösegelds so schuldig fühlt, daß es ihr einerlei ist, was mit ihr geschieht?«
    »Dann hätte sie sich umgebracht und nicht ihren Mann, der Macalvie zufolge völlig außer sich war, als sie sich weigerte zu zahlen. Und es ging auch nicht nur um das Geld; sie mußten entscheiden, was für Billy das Beste war, und das brachte sie in eine ganz gemeine Zwangslage.« Jury nahm eine Zigarre aus Plants Etui. »Aber natürlich war Billy Rogers Sohn und Nell Healey nur die Stiefmutter.«
    Melrose unterbrach sich beim Anzünden der Zigarre. » Nur? Lieber Gott, gehören Sie etwa auch zu den Verfechtern der Theorie, daß Blut dicker ist als Wasser?«
    »Natürlich nicht. Aber alle Welt legt doch Lippenbekenntnisse auf diesem Gemeinplatz ab. Für die Medien wäre es ein gefundenes Fressen gewesen, falls durchgesickert wäre, daß nicht Mr., sondern Mrs. Healey entschieden hätte, nicht zu zahlen. Eine steinreiche Frau, die ihren Stiefsohn nicht auslösen will? Einen schönen Eindruck hätte das gemacht.«
    »Da mögen Sie recht haben.«
    Jury nickte. »Aber ich habe sie in diesem Gehölz stehen sehen wie jemand in Trance; sie hat ein altes Tor zwischen nutzlosen Mauern angestarrt, wo Billy Healey und Toby Holt früher gespielt haben. Ihr Blick war so eindringlich, daß ich nicht im geringsten erstaunt gewesen wäre, wenn der Junge vor meinen Augen erstanden wäre. Vor ihren ist er das vielleicht auch.«
    »Und Roger Healey«, sagte Melrose nachdenklich, »was für ein Mensch war er?«
    »Ein Ritter ohne Fehl und Tadel, jedenfalls in den Augen derer, mit denen ich gesprochen habe. Seine Kollegen haben ihn geliebt. Charles Citrine hält Roger Healey für einen der prächtigsten Menschen, die ihm je untergekommen sind, und segnet den Tag, an dem er seine Tochter geheiratet hat. Nell Citrine war nämlich so um die Dreißig, ledig und - mit seinen Worten - >labil<.«
    »Soll das heißen, daß Miss Citrine Stammgast in der Klapsmühle war oder daß sie sich nur schwertat, die richtige Soße zum Kalbsbraten zu wählen? Wenn ein Mann eine Frau als >labil< bezeichnet, so heißt das im allgemeinen, daß sie nicht seiner Meinung ist.«
    »>Etwas exzentrisch< hat er gesagt.«
    »Mit anderen Worten, sie hat seine politischen Ansichten nicht geteilt.«
    »Wie nett, daß Sie sie verteidigen, ohne sie zu kennen. Haben Sie noch eine Zigarre für mich?«
    Melrose zog das Lederetui aus seiner Brusttasche. »Ich kenne sie nicht, Sie aber; und Sie haben nichts von >labil< oder >exzentrisch< gesagt.«
    »Das Seltsame ist, daß sie mir, selbst als sie ihren Mann im Aufenthaltsraum des Gasthauses umgebracht hat« - er zündete die Zigarre an und blies das Streichholz aus -, »völlig normal vorgekommen ist.«
    Abgesehen , setzte er bei sich hinzu, von ihrer Schweigsamkeit . Jury legte die Arme auf den Tisch. »Citrine ist ein äußerst zurückhaltender, umgänglicher Mensch. Hände in den Hosentaschen, geht und spricht, als könnte er eigentlich mehr aus sich machen.«
    »Dann ist Nell Healey also das schwarze Schaf unter lauter Übermenschen? Und Daddy setzt sich hin und erzählt ausgerechnet dem Superintendent, der als Zeuge gegen sie aussagt, daß sie >labil< sei;

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