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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Dunggeruchs vom anderen Ende des Gebäudes auch nötig war). Durch die Luken streute die Sonne an diesem überaus strahlenden Morgen Lichtflecke auf den Boden wie Konfetti.
    Zu seiner Linken, wo Abby sich gerade zu schaffen machte, befand sich der Kuhstall mit seinen hölzernen Trennwänden; hier standen auch das Pony und der Esel, die er schon früher hinter der Scheune gesehen hatte.
    Zwischen den Türen auf beiden Seiten der Scheune lag die einstige Tenne. Die gegenüberliegende Tür war jedoch verbrettert. Melrose stand auf einem Boden aus Schieferplatten, auf dem kleine Vorleger verteilt waren, wohl um das Ganze wohnlicher zu gestalten.
    Vor einem steinernen Kamin standen ein behelfsmäßiger Tisch (ein längliches Brett auf zwei Sägeböcken), ein schwerer Mahagonistuhl und ein hoher Schemel. Dem Anschein nach war das der Eßbereich, daneben lag die Küche: der Tisch dort hatte eine Wachstuchdecke, und darauf lagen ein Brotlaib, Fleisch und Käse. Das Fensterbrett diente als Kühlschrank, denn dort stand neben einer Flasche Milch ein Teller mit einem Stück Butter. Über dem Kaminfeuer hing ein Wasserkessel an einem Eisenhaken.
    An der gegenüberliegenden Wand stand ein Kinderbett mit mehreren Steppdecken, das aussah, als würde es knarren. Daneben gab es eine Kiste mit einem Stapel Bücher und einer Lampe.
    Was Melrose jedoch am meisten ins Auge fiel, waren die zahlreichen Poster an der Wand - Dire Straits, Elvis Presley. Die neueste Erwerbung, mit der sich Ethel geplagt hatte, war ein Poster der Rockgruppe Sirocco. Ja, war das nicht das Hochglanzdings, das er zuvor bei Malcolm gesehen hatte? Es hing neben einem kleineren Poster mit malerischen Klippen in Cornwall, und daneben ... verdammt, Venedig. Ein in der Ferne über den Wassern schwebendes Venedig, als wäre es nicht von dieser Welt. Und wenn es auch noch so unwirklich aussah, so war es doch wirklicher als die Klippen von Cornwall, gegen die hohe, gischtgekrönte Wogen anbrandeten.
    Über der Kiste mit dem Bücherstapel hing in einem Barockrahmen ein sehr großer, schöner Druck. Melrose meinte, Magrittes »Reich der Lichter« zu erkennen. Das in einer Scheune zu sehen - doch offenbar war Abby Cable hier zu Hause - war merkwürdig, in der Tat merkwürdig. So merkwürdig wie das Bild an sich. Es zeigte ein Haus mit einem erleuchteten Fenster und einer Straßenlaterne, die im Dunkeln brannte; und doch wölbte sich darüber ein klarer blauer Himmel mit Wolken.
    Da ihm nun offenbar Zutritt zu diesem Heiligtum gewährt wurde, wußte er nicht recht, was er sagen sollte, und sagte deshalb etwas, das er am liebsten wieder hinuntergeschluckt hätte, kaum daß es heraus war: »Ei! Wenn das nicht eine nette Scheune ist!«
    Abby Cable warf ihm einen Blick zu, den die Steinmetze von Stonehenge nicht besser hätten meißeln können, ein Blick, der von Antigone über Lady Macbeth durch die Jahrhunderte weitergereicht und fest im Muster der Welt verwoben war. Ein Blick, der Dummköpfen das Recht, auf dieser Welt zu leben, absprach. Ein Blick, der Züge zum Stehen bringen konnte. Ein Blick von jenem tiefen Blau, das man so oft fälschlicherweise, wenn auch poetisch, den Wassern der Ägäis und dem Himmel über den Kykladen zuschreibt.
    »Wenn man Scheunen mag«, sagte sie. Dann fiel ihr wohl ein, daß er ihre Katze gerettet hatte, und sie sagte: »Das ist Ethel.«
    Ethel war viel zugänglicher, wahrscheinlich weil sie jetzt die Arbeit sein lassen und auf ihn zugehen konnte, um sich richtig bewundern zu lassen - die gesmokte Hemdbluse, das modische Haarband. Sie lächelte zu ihm hoch. »Wir wollen gerade was essen. Sie können mit uns Tee trinken, er darf doch, Abby?« Abby reagierte nicht, sondern beschäftigte sich damit, die Riemen des Eichelsackes auf dem Kopf des Ponys zurechtzuschieben. Ethel zupfte an ihrer Haarschleife und beantwortete ihre Frage selbst, indem sie verkündete: »Ich bin älter als Abby.«
    Als Melrose ihr deswegen kein Kompliment machte und auch von Abby keine Reaktion erfolgte, rauschte Ethel zum Tisch mit der Wachstuchdecke und machte sich ans Brotschneiden. »Das da ist mein Hund.« Ethel deutete mit der Spitze des Brotmessers auf den großen Hund. »Das ist kein ordinärer Hütehund, das ist ein Kuvasz.« Sie legte eine besondere Betonung auf das Wort und blickte Melrose erwartungsvoll an, ob er sich von dieser erlesenen Rasse beeindruckt zeigte. Doch als nichts dergleichen geschah, fuhr sie fort (als ob sie es aus einem Buch auswendig gelernt

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