Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor
warf sich in die Bresche und dabei fast das Holzbrett mit ihren Tarotkarten um. »Im Bett, natürlich!«
Was Jury überhörte, Malcolm übrigens auch. Der war Feuer und Flamme, denn endlich interessierte sich jemand für ihn, und da tat es so ein nichtssagendes Im-Bett-und-geschlafen-Alibi einfach nicht. Er machte schmale Augen und lächelte etwas verkniffen, gleichzeitig aber rutschte er näher. »Wann heute morgen?« Das klang irgendwie triumphierend.
Jury gab ihm einen kameradschaftlichen Klaps auf die Schulter. »Gute Frage.« Er blickte in die Runde.
»Na, so gegen fünf etwa.«
Das gefiel Malcolm nicht. »So gegen fünf? Bei >Miami Vice< würden sie nie so gegen fünf sagen.«
Poges brüllte: »Das hier ist nicht eine deiner blutrünstigen Fernsehserien. Das hier ist das wirkliche Leben!«
Bei der Mutter dürfte Malcolm nur selten mit dem wirklichen Leben in Berührung kommen, dachte Jury.
Die Principessa sagte: »Also wirklich, George. Was blaffen Sie ihn denn so an. Das arme Kind weiß doch gar nichts.«
»Denkste.« Malcolm zog sein Metallflugzeug wrrruuum nach unten. »Ich weiß nämlich, daß Sie lügen.« Schweigen. »Sie nicht«, sagte er und blickte dabei die entsetzte Principessa an. »Der da. Der Major.« Jetzt ließ er sein Flugzeug Achten fliegen.
Selbst seiner Mutter hatte es bei dieser Feststellung die Sprache verschlagen, da konnte sie noch soviel die Lippen bewegen. Sie saßen da wie Figuren im Wachsfigurenkabinett, abgesehen von Plant, der lächelte und sich eine seiner kleinen Zigarren anzündete.
»Was in Gottes Namen geht hier vor?« George Poges wollte aufstehen. »Sie glauben doch nicht etwa, was dieser boshafte Bengel hier -«
In Ramona Braines Karten trug Wut eindeutig den Sieg über Mord davon. »Was fällt Ihnen ein, Malcolm so anzupöbeln, Sie widerlicher, alter Knacker-«
»Bitte «, sagte die Principessa und griff sich an die Schläfen.
Für Malcolm war es ein Fest, er wrrruuumte sein Flugzeug hinauf und hinunter, genoß es, wie den anderen die Nerven durchgingen, und sonnte sich in einer Aufmerksamkeit, die ihm sonst nicht zuteil wurde. Was ihn anging, so konnten sie ihn anpöbeln, soviel sie wollten.
Jury packte ihn beim Handgelenk, entwand ihm das Flugzeug und überhörte seinen wütenden Protest. »Es muß für kurze Zeit landen.« Jury holte sich eine Messingdose vom Beistelltisch und schob die Spitfire hinein. »Es wird gewartet. Im Hangar.«
Malcolm machte zwar ein entsetzlich finsteres Gesicht, nahm den Schachtelhangar, spielte damit herum, gleichzeitig aber genoß er es, daß der Neuankömmling mitspielte. Er zeigte auf den Major, eine Geste, als machte er als Zeuge in einem dramatischen Prozeß vor Gericht seine Aussage. »Sie, Sie haben der Polizei nicht die Wahrheit gesagt. Ich hab da am Fenster gestanden -« Er wies zur Fensterbank, wo die graue Katze ein Nickerchen machte.
»Und spioniert!« sagte Major Poges und stand auf. Seine Augen glänzten wie Stahl.
»Ich hab Sie heute früh gesehen; Sie sind zur Hintertür raus, Sie mit Ihrem Schlapphut, Ihren Überschuhen und Ihrer ... Kanone.« Jetzt sah Malcolm doch ein wenig bänglich aus und ließ sich tiefer ins Sofa rutschen.
Die kleine Pause vor »Kanone« könnte heißen, daß er die Geschichte nur ausschmücken will, dachte Jury.
»Und wo warst du, als du das alles gesehen hast?«
»Malcolm! Du sagst kein einziges Wort mehr!«
»Wieso denn? Ich hab doch nichts getan«, sagte ihr Sohn sachlich. »Ich war in meinem Zimmer. Von da hat man einen Superblick auf das Moor hinter dem Haus.« Bei ihm hörte es sich eher nach Gemüsegarten an. Feierlich zog er sein T-Shirt herunter, lehnte sich zurück und setzte noch einen drauf: »Sie wollten wohl zum Schießstand.«
Major Poges klappte den Mund auf und zu.
»Absurd«, sagte die Principessa. »Völlig absurd! Major Poges kann doch keiner Fliege -«
Aber er unterbrach sie mit einem matten Lächeln. »Lassen Sie nur, Rose.« Und zu der Runde: »Der Junge sagt die Wahrheit. Nichts Schlimmes dabei. Ich konnte nicht schlafen und dachte, da gehe ich lieber im Moor spazieren, vielleicht bringe ich ja ein Moorhuhn mit heim.«
»Dann wollten Sie also zum Schießstand?« fragte Plant und sah dabei Jury an.
»Nein, nein. Da braucht man einen Treiber, der die Vögel hochjagt. Nein. Ich wollte zum Stausee von Keighley. Es war stockdunkel - so gegen halb fünf, fünf, und ich wollte das Morgengrauen ausnutzen. Ich bin wohl etwa eine Stunde draußen gewesen. Ein,
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