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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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würde ich sie im Stich lassen. Ich glaub nicht, daß Miss Ann viel Geschäftssinn hatte.«
    Jury dachte einen Augenblick nach und sagte dann: »Was ist mit ihrer Nichte?«
    Mrs. Braithwaite hob den Blick, etwas verwundert über den Themenwechsel. »Abigail? Wir nennen sie Abby.« Sie musterte die wenigen Schnappschüsse rings um einen alten Spiegel, der dringend einer Versilberung bedurfte, und sagte dann: »Das ist sie, mit ihrer Tante.«
    Jury stand auf und betrachtete das Foto. Auch wenn es nur klein war und die Frau im Gegenlicht stand, so war doch die starke Ähnlichkeit zwischen dem kleinen Mädchen und der Tante unverkennbar. »Warum lebt Abby hier? Was ist mit ihrer Mutter und ihrem Vater?«
    Gewärmt vom Feuer, Brandy und von der Wendung, die das Gespräch nahm (so mußte sie nicht dauernd an Ann Denholmes Tod denken), beugte sich Mrs. Braithwaite vor und vertraute ihm an: »Sie meinen Anns Schwester, Iris. War schon ziemlich merkwürdig, ja. Die Arme hatte schon zwei Fehlgeburten gehabt, und ihr Arzt wollte, daß sie richtig gut gepflegt würde.« Sie wurde noch vertraulicher. »Und der Mann schaffte es allein nicht; mußte ja auch arbeiten gehen. Diese Iris, das war eine blasse, dünne, kleine Frau; die sah aus, als könnte man ihr das Vaterunser durch die Rippen lesen. Ann ist für sechs, sieben Monate zu ihr gezogen und hat sich um sie gekümmert. Und drei Jahre später, da stirbt die arme Iris, und Ann nimmt Abby zu sich. Trevor ist hiergewesen -Trevor Cable, Abbys Dad. Ja, noch einen Schluck, gern, danke. Er wollte oder konnte anscheinend nicht für sie sorgen. Der dachte wohl, Abby braucht eine Frau um sich.«
    »Und hat Ann Denholme ihre Nichte gemocht?« fragte Jury und schenkte ihr noch ein wenig nach.
    »Gemocht? Na ja - ich denk schon.« Der Gedanke, daß jetzt dergleichen Fragen auftauchten, schien sie zu beunruhigen. »Ann war so eine Verschlossene. Diese ewigen Spaziergänge im Moor ...« Sie verstummte unsicher. Dann schniefte sie. »Nicht etwa, daß sie rausgeworfen worden wäre, falls Sie das meinen.«
    »Warum sollte ich?«
    Die Frage blieb unbeantwortet.
    Auf dem Herd klapperte ein Deckel. Als Mrs. Braithwaite murrend und mühsam vom Stuhl hochkommen wollte, sagte Jury: »Lassen Sie, ich mache das schon.«
    »Ach, wie nett. Es ist die Suppe. Bloß einmal umrühren und das Gas kleindrehen.«
    »Was wird nun wohl aus ihr?« fragte Jury mit dem Rücken zu ihr und rührte die dicke Suppe um. »Kommt sie wieder zum Vater? Oder kümmert sich das Jugendamt um sie?«
    Er kehrte zu seinem Sitzplatz zurück und sah, daß ihr die Zornesröte ins Gesicht gestiegen war. »Wieder zu dem Menschen zurück? Nicht, solange noch ein Fünkchen Leben in mir ist. O nein.« Und sie schüttelte heftig den Kopf. »Er will sie sowieso nicht haben, jedenfalls hat Ann das gesagt.«
    Jury wartete ein Weilchen, machte ein paar Bemerkungen über das Landleben im allgemeinen und sagte dann: »Die Gegend hier hat letztens gut was abgekriegt. Erst der Mord in diesem Gasthaus ...«
    »Ja. Furchtbar, das mit Mrs. Healey. Mr. Citrine war gerade heute mittag hier, hat zwei Fasanen gebracht.«
    Jury sah sie an, doch sie hielt den Kopf gesenkt. »War Charles Citrine ein guter Freund?«
    »>Gut<, nein, das wohl nicht. Ann kannte die Familie; und Mrs. Healey hat immer vorbeigeschaut und hat ...« Wieder preßte sie die Hand auf den Mund und blinzelte in die Kohlen, die aufglühten und zu Asche wurden. »Diesen armen Jungen, diesen Billy, mitgebracht.«
    »Billy?«
    Sie hatte anscheinend das Knäuel Papiertaschentücher in ihrer Schürze vergessen, denn sie wischte sich die Tränen mit dem Unterarm ab. »Es will und will mir nicht in den Kopf, Sir. So ein netter Mann, dieser Mr. Healey. Der hat seinen Sohn richtig vergöttert. Muß ihn fast umgebracht haben, als-« Sie verstummte jäh, denn ihr war aufgegangen, daß daran etwas Wahres war, auch wenn sie die Wahrheit nicht kannte.
    »Man sollte meinen, das gilt auch für die Mutter -« Jury unterbrach sich.
    »O ja, ja«, hakte sie rasch ein. »Aber sie war ja nicht die richtige Mutter. Ich meine, ich weiß, daß sie an dem Jungen wirklich gehangen hat. Aber so richtige mütterliche Gefühle, die kann sie doch nicht gehabt haben.«
    Jury fröstelte. Er beugte sich vor und wollte ihr nachschenken; der Brandy schien auf sie keine große Wirkung zu haben. »Ich habe Ihre Zeit schon zu lange in Anspruch genommen«, sagte er und stand auf.
    Doch daran, wie sie seine ausgestreckte Hand

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