Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor
zwei Schnepfen habe ich gesehen, aber keinen Fasan, kein Moorhuhn. Bin sowieso kein guter Schütze; wahrscheinlich hätte ich die verdammten Viecher verfehlt - oder es wenigstens versucht.« Er lächelte matt. »Ich wollte mich nur sportlich betätigen, und einen Nutzen sollte es auch haben. Nach einer Stunde bin ich umgekehrt.« Er trank einen Schluck Sherry. »Kurz nach sieben war ich zurück, wie Master Malcolm zweifellos bestätigen kann.« Jetzt klang seine Stimme eher humorvoll als bitter.
Doch Master Malcolm schien das Interesse an der Zwangslage des Majors verloren zu haben, er war ganz auf seine Spitfire konzentriert, die er in ihrem neuen Hangar hin-und herschob.
»Das hätten Sie Superintendent Sanderson sagen müssen«, meinte Melrose.
Poges wirkte ein wenig blaß um die Nase. »Ich habe sofort daran gedacht, daß ich in der Nähe der Stelle gewesen sein könnte, wo Ann Denholme erschossen wurde, und das auch noch mit meinem Gewehr. Na gut, ich gebe zu, daß ich geflunkert habe.«
Die Principessa schwenkte ihre Zigarettenspitze und sagte: »Natürlich. Wer hätte das nicht.« Sie streckte Melrose die Spitze hin, und er gab ihr Feuer.
Ramona Braines Blick schnellte hoch. »Woher wissen Sie denn, daß sie erschossen wurde? Der Polizist, der uns ausgequetscht hat, hat nichts davon gesagt.« Sie lächelte hinterhältig.
Das Lächeln der Principessa überbot ihres noch an Hinterhältigkeit. »Mir hat er es aber erzählt, meine Liebe. Und ich habe es dem Major erzählt.« Sie seufzte und zupfte an ihrem seidigen, silbrigen Haar. »Ich habe es ihm irgendwie aus der Nase gezogen.« Dann schenkte sie Jury ein Lächeln, so tauzart wie ihre perlmuttfarbene Zigarettenspitze, und wippte mit dem schmalen Fuß.
»Rose will mich nur in Schutz nehmen. Ich bin gerührt.« Der Major hörte sich ganz aufrichtig an.
Ramonas Ohrringe schwangen hin und her, so jäh hatte sie den Blick gen Himmel gerichtet und angestimmt: »Mitten wir im Leben sind von dem Tod umge-«
Die Principessa blickte sie gelangweilt an. »Für so eine banale Feststellung lohnt sich doch der ganze Geisteraufwand gar nicht.« Ramona gab den Blick wütend zurück, schob ihren Beistelltisch beiseite und zerrte Malcolm vom Sofa hoch. Doch der hatte gar keine Lust, seiner Mutter zu folgen.
Die Principessa warf Jury unter gesenkten Lidern einen Blick zu. »George geht andauernd spazieren. Und das auch noch in aller Herrgottsfrühe, einfach gräßlich. Das weiß ich, weil ich einmal mitgegangen bin.« Sie erschauerte ein wenig. »Um sechs Uhr früh. Wir haben ein paar Schafe gesehen. Ich wußte gar nicht, daß um die Zeit schon irgendein Lebewesen auf ist -«
»Rose.« George Poges sah sie an und fuhr fort: »Ich nehme an, weil ich weiß, daß sie da draußen ermordet worden ist, und ich immerzu an mein Gewehr denken muß .« Er hob die Schultern und sagte trocken: »Hoffen wir, daß Superintendent Sanderson diese Assoziation nicht groß ausschlachtet.«
»Und abgesehen von Malcolm hat Sie niemand gesehen?« fragte Melrose.
Die Principessa wollte schon reden, biß sich aber auf die Zunge.
»Niemand, soviel ich weiß.«
Jury beugte sich vor und stellte seine Teetasse hin.
»Vielleicht hat Sie aber jemand gesehen. Das wäre gut für Sie.«
Poges schüttelte den Kopf. »Draußen auf dem Moor und um die Zeit - falls man Mr. Sanderson Glauben schenken kann.« George Poges lächelte grimmig. »Meine Marschroute -bitte, Ihr Meßtischblatt, Mr. Plant. Dürfte ich das kurz haben?« Melrose zog es aus der Tasche und reichte es ihm. Der Major zeichnete etwas ein. »So bin ich gegangen.« Mit einem Blick zu Melrose, als erhoffte er sich Unterstützung von ihm, reichte er es zurück. Jury betrachtete die geschwungene Bleistiftlinie.
»Fichtengehölz, Schießstand. Da ist die Mauer und weiter hinten der Stausee. Mein üblicher Spaziergang. Fragen Sie Abby.«
Die Principessa legte die Hand auf den Mund. Dann sagte sie: »Abby. Das arme Kind. Hat jemand überhaupt schon einen Gedanken an sie verschwendet?«
»Ich«, sagte Melrose betrübt.
Mrs. Braithwaite war mit verweinten Augen ins Zimmer gekommen und wollte das Geschirr abräumen. Sie staunte über den neuen Gast in ihrer Mitte. Oder hinter der Principessa her, die verkündete, sie würde jetzt ihr Nickerchen machen, und, gefolgt von Major Poges, aus dem Zimmer rauschte.
»Sie hätten mir Bescheid sagen sollen, Sir, daß Sie einen Freund zum Tee haben. Jetzt muß ich wohl neuen aufgießen.« Ganz die
Weitere Kostenlose Bücher