Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor
gute Haushaltshilfe, obwohl sie sich die Augen mit dem Ärmel wischte.
»Lassen Sie nur, Mrs. Braithwaite«, sagte Jury und nahm ihr flink das Tablett mit dem Geschirr ab. »Ich trage das schon hinaus.«
»Sie sind nicht zufällig«, rief Melrose hinter ihm her, »einer Motorradfahrerin begegnet?«
In der Küche erging es Jury besser, denn hier bekam er einen Becher mit sehr heißem Kaffee in die Hand gedrückt. Rechts und links vom Kamin, in dem ein Kohlefeuerchen brannte, standen zwei Stühle mit einem verschossenen, indisch gemusterten Baumwollbezug, aus dem schon die Füllung quoll. Das würzige Kaffeearoma mischte sich mit dem Duft von frischgebackenen Brötchen und durchzog zusammen mit dem Dampf von den Kochtöpfen die Küche, daß die Fenster beschlugen. Es war fünf Uhr nachmittags und fast schon dunkel.
»Und ich sag also zu ihr: >Ich hab genug zu tun, auch ohne daß ich das Abendessen mache.<«
Er hatte einen Augenblick nicht aufgepaßt. Nachdem ihm Mrs. Braithwaite den Kaffee gegeben hatte, beschwerte sie sich jetzt über Mrs. Hull, die Köchin, die schlappgemacht hatte, als die Yorkshire-Polizei eintraf und ihnen vom Tod ihrer Arbeitgeberin Mitteilung gemacht hatte.
»... weiche Knie hat sie gekriegt, wie Wackelpudding«, schnaubte Mrs. Braithwaite, die für Schlappschwänze nur Verachtung übrig hatte. »>Als ob die anderen nichts mehr zu essen brauchen<, sag ich zu ihr. >Ich hab auch mein Päckchen zu tragen, ja, ja, aber schmeiß ich etwa den Kram hin?< hab ich gesagt.«
»Muß ganz schön schwierig für Sie sein, Mrs. Braithwaite«, meinte Jury. »Es gibt eben Menschen, die klappen einfach zusammen, wenn es hart auf hart kommt.« Die Haushälterin war eine mollige Person mit kurzen, dicken Armen, zuverlässig und kräftig wie ein Hydrant. In den zehn Minuten, die ihr Jury nun schon zusah, hatte sie unentwegt in der Küche herumgewerkelt, nach etwas gegriffen und damit gefuchtelt, Wandschränke und Küchenschränke aufgerissen. Sie hatte den Tod ihrer Arbeitgeberin bereits im stillen Kämmerlein beweint; davon zeugten die Papiertaschentücher, die aus ihrer Schürzentasche quollen, und ihre rotgeweinten Augen.
»Isses wirklich. Überall Polizei, oben im Zimmer von Miss Denholme, die kriechen in allen Ecken rum.« Sie hob den Deckel eines schweren Topfes.
»Vielen Dank für den Kaffee, Mrs. Braithwaite. Tut mir leid, daß ich Ihnen soviel Mühe gemacht habe.«
Sie wischte sich die Hände in der Schürze ab, protestierte, das sei nicht der Rede wert, nicht bei einem Freund von Mr. Plant, diesem »feinen, netten Herrn«, und war das nicht einfach schrecklich, da kam Mr. Jury ihn besuchen, und dann so etwas.
Jury dankte noch einmal und mußte insgeheim darüber lächeln, daß sie es nicht merkwürdig fand, wenn es sich Mr. Plants Freund vor dem Kamin auf einem der Polster-Stühle gemütlich machte und sie sozusagen als Gastgeber aufforderte, ihm Gesellschaft zu leisten.
»Warum trinken Sie nicht auch einen Kaffee? Sollen sich die anderen doch Fisch mit Pommes kommen lassen.« Er stand auf. »Na los, setzen Sie sich.« Und er nahm sie beim Arm und zog sie auf den Stuhl ihm gegenüber. Erleichtert ließ sie sich niederplumpsen und fächelte sich mit der Hand Kühlung zu. »Ich bringe Ihnen den Kaffee.« Er holte einen Becher aus dem Ausguß, schenkte Kaffee ein und fragte: »Haben Sie was zum Aufhübschen?«
»Schrank neben der Tür, unterstes Fach«, antwortete sie und starrte in die glühenden Kohlen.
Jury brachte ihr den Kaffee mit dem Schuß Brandy und setzte sich. »Wie lange arbeiten Sie schon hier?«
»Fast zwölf Jahre. Ob Sie mal die Flasche holen? Ich könnte einen anständigen Schluck gebrauchen. Die Gläser stehen im selben Regal«, rief sie hinter ihm her.
Jury goß den Brandy in kleine Kognakschwenker und setzte die Flasche ab. »Tut mir leid, daß Sie so was durchmachen müssen.«
Der ernste Ton, in dem er das vorbrachte, führte fast zu einer neuerlichen Tränenflut. Aber sie preßte die Hand auf den Mund und hielt sie zurück. Als sie sich gefaßt hatte, sagte sie: »Wieso die Ärmste dieses Haus überhaupt gekauft hat, ist mir ein Rätsel. Das war vor zwölf Jahren; sie muß es für ein Butterbrot gekriegt haben. Die Denholmes kommen aus London; keine Ahnung, warum sie hier draußen leben wollte, wo sich Füchse und Hasen gute Nacht sagen. Wie oft hab ich mir schon überlegt, ob ich nicht lieber nach Harrogate zurückgeh - so hübsch ist es da -, aber das kam mir vor, als
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