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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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behandeln.
    »Ja.« Er wippte ein wenig und sah ihr zu, wie sie langsam erst die Ecke, dann die ganze Seite aufrollte. »Du kannst mir glauben, es wird etwas geschehen, auch wenn es lange nicht so gut ist wie das >Reich der Lichter<. Es wird etwas mit dir geschehen, meine ich.« Jury schob sich einen Kaugummistreifen in den Mund und wartete, während sie langsam das Gesicht hob. »Und das ist viel besser als die Lowood School, auch wenn es dir vielleicht nicht besonders gut gefällt.« Er kratzte sich am Kopf. Sie legte das Buch aufs Bett. »Weavers Hall hat nämlich deiner Tante Ann gehört. Und jetzt gehört es dir.«
    Sie klappte Jane Eyre zu wie den Deckel der Messingschachtel. Zum erstenmal wurde ihr Gesicht weich, kindlich, großäugig. »Das geht nicht. Mir gehört doch nichts außer Stranger und den Sachen hier.« Sie schob das Buch fort und begann, Stranger geistesabwesend hinter den Ohren zu kraulen, die er gespitzt hatte, als sein Name fiel. »Mir gehört doch nichts«, wiederholte sie, und ihr Gesichtchen wurde ganz blaß bei dem schrecklichen Gedanken, daß ihr da etwas in den Schoß fallen könnte wie das eben weggelegte Buch und daß sie damit nicht fertig werden könnte.
    »Du kannst alles machen, was du willst, fast alles.«
    »Will ich aber gar nicht.« Sie holte sich die Messingschachtel wieder, setzte sie auf ihren Schoß und hielt sich daran fest.
    »Du brauchtest gar nicht viel zu tun. Nichts würde sich ändern. Die Köchin wäre da und Mrs. Braithwaite. Und Ruby.«
    Rasch sah sie auf; ihre Augen wurden schmal. Sie schien zu erwägen, ob sie Ruby noch unter ihrem Personal haben wollte. Dann sagte sie: »Eins steht fest. Wenn das hier mir gehören würde, dann müßten ein paar Leute gehen.«
    »Die wären?«
    »Malcolm!« Und wieder schaffte sie es, aus ihrem Gesicht eine Knetgummifratze zu machen. Sie zog die Wangen nach unten, daß man den roten Rand unter ihren Augen sah.
    »Der wollte meine andere Katze umbringen. Der Lord hat sie gerettet. Ist schon in Ordnung.«
    Jury dachte, sie meinte die Katze, aber sie klappte den Deckel der Schachtel auf, stöberte darin herum und gab ihm eine Karte. Eine Visitenkarte von Plant. Titel, Adresse. Am Rand schon etwas eingerissen, da Lord Ardry längst kein Lord mehr war und die Karte nur noch für Notfälle bei sich trug. Jury lächelte. »Ich kenne ihn. Der ist schwer in Ordnung.« Und er gab ihr die Karte zurück.
    Abby nahm sie geistesabwesend; sie war mit ihren Gedanken bei den Wertsachen, die in der Schachtel sein mochten. Sie holte ein Medaillon heraus und ließ es wie hypnotisiert an der Goldkette hin- und herschwingen. »Hat mir Billys Mama geschenkt.«
    Echt Gold, fünfhundertfünfundachtziger schätzungsweise. Jury ließ es aufklappen. Aus dem Doppelrahmen blickten ihn zwei Jungen an. Sie sahen sich ähnlich, aber das machten die etwas verschwommenen sepiafarbenen Fotografien, die gleichen Pullover und das gleiche Lächeln. Er musterte sie eingehend, ja, der rechts war älter. Zwischen elf und fünfzehn machen vier Jahre eine Menge aus. Was für eine Kostbarkeit, die Nell Healey da verschenkt hatte.
    Jury sagte: »Billy und Toby, nicht wahr?«
    »Wir sind dicke Freunde gewesen. Ich bin immer rübergegangen, und dann haben wir zusammen gespielt, sind auf Bäume geklettert. Oben vom allerhöchsten - die haben da so einen riesigen Baum - hab ich alles sehen können.« Sie hob den Blick zu dem alten Gebälk des hohen Daches, und bei dem Gedanken schien ihr fast der Atem zu stocken. »Einfach alles. Das ganze Moor und Haworth. Goose Eye und Keighley. Sogar Leeds«, setzte sie hinzu und erweiterte damit den Horizont beträchtlich. »Da bin ich noch nie gewesen«, fuhr sie dann nüchtern fort und stöberte wieder in der Schachtel herum.
    An wieviel erinnerte sie sich wirklich, und was war Phantasie?
    Jury gab ihr die Kette zurück, und wie in einem feierlichen Tauschritual reichte ihm Abby einen weißen Umschlag mit schmutzigen Fingerabdrücken rings um die Kanten. Die Adresse war schwungvoll geschrieben, der Poststempel verblaßt. Er konnte Venezia ausmachen und das Jahr. Das Jahr, in dem Billy und Toby verschwunden waren. In dem Umschlag war eine Kunstpostkarte, ebenfalls von dem Magritte -Gemälde.
    Er sah auf. Sie spielte das alles mit einem Achselzucken herunter und sagte: »Sie dürfen sie lesen.«
    »>Liebe Abby, mir gefällt dieses Bild. Alles Liebe, Nell .«< Jury hob den Blick, doch sie sah in eine andere Richtung und strich sich das

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