Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
die Arme, preßte die Handflächen aneinander, als wollte sie ihre Vorstellung anschaulich machen. Ihre Wangen glühten vor Eifer.
    Jury blinzelte, so blendete ihn ihr strahlendblauer Blick.
    Als er nicht reagierte, ließ sie die Arme fallen. Sie kam um den Tisch, klammerte sich an seinen Pulloverärmel und zog daran. »Los, kommen Sie!« Er ließ sich von der Bank wegzerren, während sie mit der Zunge schnalzte und der Hund sich sofort wachsam aufrichtete. Dieser Mann kapierte aber auch gar nichts, sie würde es ihm so richtig zeigen, doch dazu brauchte sie einen Zeugen. Stranger folgte ihnen.
    Sie standen jetzt zu dritt vor dem Bild »Das Reich der Lichter«. Da sie in diesem Museum die Führerin war, ließ er sie gewähren.
    »Da ist eine Straßenlaterne. Genau in der Mitte.« Sie verstummte.
    Er sah, daß sie sich auf die Lippen biß, die Arme fest vor der Brust verschränkt hatte und daß ihre Finger mit den losen Fäden des Umschlagtuches spielten. Stranger blickte zu Jury hoch und Jury zu ihm hinunter, und auch er schien sich zu fragen, wie sie das mit ihrer Kirche in Einklang brachte.
    »Mit der Straßenlaterne und dem erleuchteten Fenster hast du recht.« Sein Blick wanderte von der Nacht unten zum Tag oben im Bild, zu einem Himmel von hellem, jedoch pulsierendem Blau mit dahinziehenden Wolken, und er überlegte, wann er wohl an seine Grenzen kam. Warum mußte er immer alles, was ganz war, in Stücke zerlegen, in Symbole und Zeichen? Das machte wohl sein Beruf. Nichts konnte er als Ganzes sehen; er beschäftigte sich mit Spiegelscherben, mit Lichtsplittern. Wie war er angezogen, als er verschwand? Unverwechselbare Kennzeichen? Routineuntersuchung. Hier war die Straßenlaterne der Mittelpunkt; aber wenn man sie zu lange betrachtete, würde sie dann unversehens erlöschen? Das Bild hing hier in angenehmer Stille, für jedermann zugänglich, der es auf die rechte Weise betrachtete.
    Ihre Stimme störte ihn in seinen Gedanken, sie war jetzt eine Lage höher und beharrte: »Besser als die Lowood School jedenfalls.« Dann machte sie auf dem Hacken kehrt, stapfte zu ihrer Bücherkiste und drückte Jane Eyre mit einem Arm an ihre Brust, während sie mit dem angefeuchteten Finger der anderen Hand wie wild dann herumblätterte, so als arbeitete der Finger aus eigenem Antrieb. Als sie den Beweis gefunden hatte, kam sie zurückgestiefelt. »Da.« Sie streckte ihm das Buch hin, den Finger direkt auf dem Gesicht des Direktors, der gerade ein Kind mit dem Rohrstock verprügelte.
    Das Bild sprach Bände. Wortlos setzte sie sich auf einen Melkschemel und blätterte das gräßliche Buch nach weiteren Greueln durch.
    Jury hielt den Blick weiter auf den Magritte-Druck geheftet. Er sagte: »Sie können dich nicht auf die Lowood School schicken. Du bist zu wichtig.«
    Auf der Stelle hörte das Geblätter auf. Er spürte, wie sie ihn ansah, aber als er den Kopf wandte, hatte sie den ihren fast auf das geöffnete Buch sinken lassen, zog mit dem Finger eine Linie nach und tat, als hätte sie nichts gehört.
    Er sagte: »Vielleicht wohnst du ja im >Reich der Lichter<.« Er wußte, die Idee war so ungeheuerlich und aufregend, daß sie sicher etwas daran auszusetzen fand.
    Ihr Kopf fuhr hoch, und ihr blitzblauer Blick besagte wieder einmal, daß ihre Geduld gleich am Ende war. Wenn er ein solcher Blödmann war, dann mußte sie Köpfchen für zwei haben. »In Bildern kann man nicht wohnen.«
    »Es ist nicht so hübsch wie deine Scheune, aber es könnte genauso wirklich sein. Wie wäre es, wenn du hinter dem erleuchteten Fenster wohnen würdest?« Und er deutete mit dem Kopf auf das Bild.
    »Wenn es wirklich ginge, wetten, daß Ethel hinter einem der anderen wohnen würde«, sagte sie in Richtung des Buches auf ihrem Schoß. »Außerdem ist es da dunkel.«
    »Irgendwie sehr dunkel.« Er kam zu ihr, setzte sich in den Schaukelstuhl und holte eine Packung Kaugummi aus der Tasche. Er schob einen Streifen heraus und sagte zu ihrem Scheitel (sie hielt den Kopf immer noch gesenkt): »Magst du?«
    Abby sah auf, nahm den Streifen und schien zu prüfen, ob es ihre Marke war. Dann bedankte sie sich und holte die verbeulte Messingschachtel von der Kiste. Sie klappte den Deckel auf und legte den Kaugummi hinein. Es klapperte in der Schachtel, als sie sie wieder wegstellte. »Der ist wohl in Ordnung«, sagte sie und schob Jury das Buch so hin, daß er die Illustration mit dem Arzt sehen konnte, der (laut Bildunterschrift) gekommen war, um Helen zu

Weitere Kostenlose Bücher