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Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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leicht ist, wenn man einem Mann, der einem besonders viel bedeutet, mit einer leimartigen Papiermaske auf dem Gesicht gegenübersteht.
    Aber probieren konnte man es ja. Lässig pflückte Fiona die zwei neben ihren Augen klebenden feuchten Stückchen ab, zerknüllte sie wie Pete Apted ein Einwickelpapier, betrachtete das bewährte Schönheitsmittel wie ein Ärgernis (gab es davon nicht schon genug?) und schnippte die beiden winzigen Bällchen in Richtung Papierkorb, genau wie Apted.
    Cyril, fasziniert von den hauchzarten Papierstückchen, glitt elegant vom Schreibtisch zum Korb. Es würden ja sicher noch mehr kommen.
    Nein. Statt dessen nestelte Fiona eine Zigarette aus der Packung, bat Jury um Feuer, schlug die Beine übereinander und legte dekorativ einen Arm auf den Rücken ihres Schreibtischstuhls, wodurch sich der Stoff ihrer schwarzen Bluse über dem Busen spannte. »Wußten wir’s doch, daß Sie in Null Komma nichts zurück sein würden. Erst gestern hat Al gesagt: >Die schicken ihn in Null Komma nichts wieder hierher zurück.<« Auf dem ganzen Erdenrund (wettete Jury) war Fiona die einzige, die Wiggins »Al« nannte.
    Cyril saß absprungbereit neben dem Papierkorb und starrte hoch zu den kleinen dünnen Fetzen.
    So schlecht es Jury auch ging, er konnte kaum ein ernstes Gesicht bewahren. »Was machen Sie hier eigentlich?« fragte er. Der Kessel pfiff.
    Zum Glück, denn nun konnte sich Fiona damit beschäftigen. »Was meinen Sie?« Sie sah ihn verständnislos an und sagte dann, als sei sie überrascht: »Ach, das hier? Na, das ist doch das Neueste vom Neuen.« Sie sah ihn ein wenig hochmütig an und ließ die Teebeutel in die Tassen plumpsen. »Sie verfolgen wohl Fergies und Dis Schönheitsprogramm nicht, oder etwa doch?« Sie zog eine Grimasse und versuchte, es witzig klingen zu lassen.
    Jury schüttelte ernst den Kopf. Obwohl Fiona immer wieder Hiebe einstecken mußte, sie war nicht kleinzukriegen. Fiona - das fiel ihm jetzt erst auf - schaffte es, einem in den schrecklichsten Situationen Mut zu machen.
    »Es ist eine Collagenbehandlung. Wirkt Wunder für die Haut. Tee?« fragte sie ruhig, wobei das hauchdünne Papier um ihren Mund sich mitbewegte.
    »Aber klar doch. Wo ist unser Chef?« Er nahm einen Schluck von dem milchigen Tee und beobachtete Cyril, der offenbar begriffen hatte, daß ihm keine Papierklümpchen mehr zufliegen würden, und nun auf das Büro des »Chefs« zusteuerte.
    »Haben Sie mal erlebt, daß er vor neun hier ist? Ha! Der nicht!« Sie hatte Schwierigkeiten beim Trinken, weil das Papier so fest am Mund klebte, aber es gelang. »Der nicht, seit wir die rothaarige Tippse nicht mehr haben.«
    Er erinnerte sich. Das arme Mädchen hatte es eine Woche ausgehalten und die meiste Zeit damit verbracht, vor Racer den Flur hinunterzuflüchten.
    »Als würde der Weg zu einer Stelle über sein Bett führen.«
    Jury sah zu, wie Fiona schwerste Artillerie zum Vorschein brachte: Spiegel und Make-up-Köfferchen. Den packte sie aus wie Wiggins seine Natural Habitat-Tüte. Fiona konnte die Natur aber gestohlen bleiben; sie selbst legte auf viel subtilere Weise Hand an. Jetzt blieb sie erst einmal sitzen und rauchte ihre Zigarette; sie konnte ja die Papiermaske nicht abziehen, während Jury daneben saß.
    »Ich glaube, ich rede mal ein paar Takte mit Cyril. Hab ihn ja schon mehrere Tage nicht gesehen.«
    »Passen Sie aber bloß auf, daß er hier keine Schweinerei anrichtet!« rief Fiona Jury hinterher.
    Nur Augen und Ohren des Katers lugten über Chief Superintendent Racers Schreibtischplatte, letztere wie immer ein schlagender Beweis dafür, daß hier nicht gearbeitet wurde. Keine unordentlichen Papiere oder Akten. Der Kugelschreiber unschuldig im glänzenden Halter. Die Schreibtischauflage makellos rein, nur ein Reiseprospekt klemmte in einer Ecke. Racer erklärte natürlich den jungfräulichen Zustand seines Arbeitsplatzes mit langen Ausführungen über effiziente Büroorganisation. Und davon verstehe Jury eben nichts (sagte Racer). Ein organisierter Mann wirke immer, als hätte er absolut nichts zu tun, was in Racers Fall sogar zutraf.
    Cyril blinzelte träge Jury an und begab sich wieder an seine Morgentätigkeit, Racers mittlere Schublade auszuleeren. Cyril hatte schnell gelernt, wie er seine Pfote in den Messingring stecken und ziehen mußte. War das erst einmal vollbracht, konnte er das Innere in Angriff nehmen.
    »Wie geht’s, Cyril?« Jury hörte Büroklammern und Reißzwecken kratzen und knacken.

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