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Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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etwa den Hang mit dem Geröll hochlaufen? Sieht einfach aus, isses aber nich. Das Geröll wird schon bald zu großen Felsbrocken.«
    »Ich bin mit dem Auto hier.«
    »Recht so.«
    »Will den Scafell hoch zum Broad Stand.« Er sprach es wie Scaufell aus.
    »Nicht doch.« Der alte Mann schob seinen Hut zurück. »Es wird >Scarfl< ausgesprochen, das Wort >scau< gibt es nicht; wissen Sie, das >sca< bedeutet >steil<, steiler Hang.«
    Für eine etymologische Lektion war Melrose nicht in Stimmung. Er hielt dem Mann die Karte vor die Nase und fragte: »Ist diese Route okay?«
    Der alte Mann studierte sie und nickte. »Ab sechshundert Metern wird der Laard’s Rake schwierig. Sie könnten hier um Rake’s Progress herumgehen.« Er drückte den Finger auf die Karte.
    »Danke«, sagte Melrose.
    Zum Abschied tippte sich der Mann wieder an die Mütze. Dann stieg er in den Buick LeSabre, ließ ihn aufheulen und fuhr davon.
    Vor über einer Stunde hatte er den Weiler Wasdale Head hinter sich gelassen. Er konsultierte seine Karte. Die Rettungsstationen und Erste-Hilfe-Kästen waren darauf verzeichnet. Kästen? War es eine Do-it-yourself-Erste-Hilfe-Station? Konnte man dort selbst sein Bein zusammenflicken, wenn es gebrochen war?
    Melrose hatte schwere Wanderschuhe erstanden (er bezweifelte, daß er sie je wieder benutzen würde) und einen Rucksack (da erübrigte sich jeder Zweifel), in dem er Fellowes’ Bild, Millies belegte Brote, ihren kleinen Kompaß und ein Fernglas verstaut hatte.
    Als er an Brown Tongue und den Hollow Stones vorbeigegangen war, mußte er sich schon wieder Steinchen aus den Schuhen schütteln; er zog eine Socke aus und inspizierte zwei Zehen, ob dort wohl auf denen schmerzende Hühneraugen entstanden, sowie die Ferse, auf der sich eine Blase gebildet hatte. Masochistisch wie er war, saß er neben einem Kreuz, das an einen tödlichen Unfall von vier Wanderern um die Jahrhundertwende erinnerte. Der Kletterer, von dem sie ihm erzählt hatten, kam ihm in den Sinn. Wo war das gewesen? Am roten irgendwas ... Der Kletterer war tödlich gestürzt und war wochenlang von seinem treuen Hund bewacht worden. Wenn Melrose von einem Felsvorsprung fiel, würde ihn ein treuer Bussard bewachen.
    Am Rake’s Progress hatte er aufgegeben. Angesichts der Torheit, hier herumzukraxeln, mußte er unwillkürlich an Hogarths Bildgeschichte gleichen Namens über die Ausschweifungen des Trinkens denken. Die Route hatte ihn fast zwei Kilometer und (wegen der rutschenden Steine) eineinhalb Stunden auf allen vieren gekostet, dann war er den Weg zurückgegangen und hatte sich entschieden, doch der ursprünglichen Route zu folgen.
    Das Ärgerliche an dieser hirnrissigen Wanderung war weniger, daß der Blick auf den Broad Stand ihm am Ende wahrscheinlich nichts enthüllen würde, sondern vielmehr, daß soviel körperliche Aktivität damit verbunden war. Und selbst das wäre nicht so schlimm, wenn er nach vollbrachter Tat seine Schritte - ganz der tapfere Bergsteiger - lässig ins Old Contemptibles hätte lenken und dort erzählen können, er habe eine Fahne auf einem der Scafell-Gipfel gehißt. Mein Gott, und Wordsworth hatte da oben Picknicks veranstaltet, und Coleridge war zum Briefeschreiben hochgeschlendert. Coleridge war aber auch ein passionierter Kletterer gewesen, der vor nichts Angst hatte.
    Regen fiel in beständigen scharfen Güssen, und Melrose bereute, daß er kein Cape mitgenommen hatte. Er war völlig durchnäßt. Er stapfte mühsam die Geröllrinne namens Lord’s Rake hoch und war etwas zufriedener, als er zwei Wanderer sah, die in Gummicapes heruntergestapft kamen. Sie grüßten, grinsten wie die Honigkuchenpferde und bezeichneten das Ganze als »absolut grandios«. Wenn doch auch Melrose ein Mann für schöne Panoramen und nicht ein Mann für den Kamin, einen schnarchenden Hund und ein Glas Graham’s Port gewesen wäre!
    Zwei Stunden lief er unermüdlich weiter bergauf, bergab, kam schließlich an einen Hang und stieg den Scafell Crag hinunter. Es war nicht leicht, aber wenigstens war sein Ziel nicht mehr fern.
    Und dann war er da: am Beginn des Übergangs nach Mickledore und dem steilen Felsüberhang, den Virginia Holdsworth hinuntergefallen war. Der Broad Stand schien gar nicht mal so ein schwieriges Hindernis auf den Weg zum Gipfel des Scafell zu sein. Aber den Versuch würde er todsicher nicht riskieren. Er drehte sich um und ging ein paar Meter nach Osten, bis er den tiefen Spalt in dem Felsen sah, der »Die Agonie des

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