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Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Mensch, den Sie am meisten lieben.«
    »Hm.« Sie rauchte vor sich hin. Unterdrückte er ein Lächeln? Bei Psychiatern mußte man auf der Hut sein. Sie führten einen aufs Glatteis, man konnte ihnen nicht vertrauen. »Und? Warum wollten Sie mich heute morgen sehen?« Was hatte er bloß im Sinn, fragte sie sich.
    »Wegen gestern abend -«
    Sie setzte sich in ihrem Stuhl zurecht, zeigte keinerlei Regung »Wird Ihnen schlecht, wenn Sie Blut sehen?« fragte Kingsley plötzlich.
    Sie erstarrte. »Ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
    Er legte die Arme auf den Tisch, lehnte sich darüber, kritzelte auf einem Block herum. »Sie sind beim Essen ganz weiß geworden, als Mr. Plant sich in die Hand geschnitten hat. Ich dachte sogar, Sie würden ohnmächtig. Woran haben Sie gedacht?«
    »Gedacht? Eigentlich an nichts.« Sie legte das Feuerzeug auf den Schreibtisch, ungefähr in die Mitte zwischen ihnen. »Warum?«
    »Das frage ich Sie, Lady Cray.«
    Das Problem war, sie wußte es nicht. Es war mehr ein Gefühl gewesen. Halb Gefühl, halb Gedanke. Als ob Worte diesen Regungen aufgeprägt oder dazwischengeschmiert worden wären, wie Mörtel, der Ziegelsteine zusammenhält. Man kann Mörtel und Steine nicht trennen, ohne daß das ganze Gebäude in sich zusammenfällt - Was zum Teufel machte sie hier eigentlich? Sie blies ruhig eine dünne Rauchfahne aus und sagte: »Ich glaube, Sie haben da eine fixe Idee.«
    Er setzte sich zurück und lächelte. »Stimmt.«
    Wußte er es? Was wußte er? Warum hatte sie an diese Briefe gedacht ... genauer, an das Band, das jetzt zwischen ihren Seidenschals versteckt war. Sie hatte es wegwerfen wollen, brachte es aber irgendwie nicht übers Herz. Ihr war tatsächlich zum Weinen zumute. »Spiegel«, sagte sie plötzlich.
    »Ach? Bei Blut denken Sie an Spiegel?«
    An den Spiegel, in den sie gestern abend über Mr. Plants Schulter geblickt hatte, mußte sie denken, an das Spiegelbild des Arztes und Madeline Galloways darin. »Haben Sie zugesehen?« Ihre Stimme war angespannt, nervös. Ihr war überhaupt nicht wohl.
    Er wurde sehr still. »Wobei zugesehen?«
    »Ach, bei nichts.« Sie wollte das Thema wechseln. »Meine Mutter hatte einen dreiteiligen Spiegel. Ich habe als Kind immer davor posiert.« Mit dieser Bemerkung würde sie das Gespräch wohl kaum in eine andere Richtung lenken. Er blickte sie an - wie mit Röntgenaugen. »Ich sehe nicht gern in Spiegel.«
    »Aber einmal haben Sie es doch gern getan.«
    Sie lachte. »Na ja, als Kind. Da war ich so eitel. Bin ich immer noch. Äußerlichkeiten sind mir sehr wichtig.«
    »Nein, das stimmt nicht. Das Gegenteil ist der Fall, würde ich sagen. Sie sind sehr, sehr klug. Besonnen, scharfsinnig. Sie hätte ich nicht gern auf den Fersen.«
    Eine Anspielung, dachte sie. Er war selbst sehr klug. »Wissen Sie, meine Mutter war außergewöhnlich schön. Und mein Vater -« Sie brach ab und schluckte.
    Er sah sie auf diese komische Art an. »Weiter. Ihr Vater?«
    »Waren Sie nie verheiratet, Dr. Kingsley?«
    Schweigen. Und als wolle er sie bei Laune halten, antwortete er dann: »Doch. Vor ganz langer Zeit.«
    Sie warf einen kurzen Blick auf das Feuerzeug. »Mit A.«
    Wieder lächelte er. »Ja. Mit A.«
    »Bei Dr. Viner habe ich mich auch schon oft gefragt. War sie . «
    »Was? Verheiratet?« Er lehnte sich zurück. »Nein. Was hat dieses ausgeprägte Interesse am Familienstand von Psychiatern zu bedeuten?«
    »Sie sind beide so attraktiv. Es kommt mir komisch vor, daß Sie beide nicht verheiratet sind. Besonders Dr. Viner.«
    Er fing wieder mit seinen Kritzeleien an. »Und haben Sie irgendwelche Phantasien über mich und Dr. Viner?«
    »Das wäre ja wohl ziemlich - dreist.«
    Er lachte. »>Dreist< - dieser Begriff gilt in der Psychiatrie nicht viel.«
    Sie überbrückte ihr nachdenkliches Schweigen, indem sie sich noch eine Zigarette nahm. Aber sie benutzte das Feuerzeug nicht, sondern zog eins ihrer silbernen, mit Monogramm versehenen Streichholzbriefchen heraus. Sie mochte Streichhölzer. Vielleicht war sie als Kind ein Feuerteufel gewesen. Ja, das würde sie erwähnen, wenn das Gespräch wieder unersprießlicher wurde. Aber im Grunde ging ihr etwas ganz anderes im Kopf herum. Sie sagte. »Vor etlichen Jahren war ich einer außergewöhnlich schönen Frau sehr zugetan. Südländischer Typ.« Sie entzündete das Streichholz, beobachtete, wie die winzige Flamme zwischen ihnen aufflackerte und erstarb. »Ich erinnere mich nicht daran, daß meine Gefühle sexueller

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