Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht
oder er dachte, nur warten zu müssen, bis Sie weg waren.«
»Ich hätte ihn im Spiegel sehen müssen, oder?«
Melrose schüttelte den Kopf. »Nicht, wenn er sich in der Agonie des fetten Mannes versteckte, um abzuwarten.«
»Aber-«
»Sehen Sie sich mal an, wie Sie den Eingang zu der Öffnung gemalt haben.«
Fellowes und Jury sahen es sich an.
»Da ist eine Gestalt. Getreu den Regeln der Landschaftsmalerei haben Sie genau gemalt, was Sie gesehen haben. Nur ein winziger Lichtpunkt kommt durch. Wer auch immer darin war, er glaubte, er sei sicher, weil er annehmen mußte, daß Sie einfach eine Aussicht auf Wast Water malten, schließlich kehrten Sie ihm den Rücken zu. Die Agonie des fetten Mannes ist ein treffender Name; jeder, der auch nur ein paar Pfund zuviel am Leibe hat, steckt da drin wie in einem Schraubstock.« Eine weitere Runde Bier wurde gebracht, Connie Fish erntete die fälligen Dankeschöns. »Ich habe mich bemüht, das Polaroidfoto möglichst genau an der Stelle aufzunehmen, an der Sie mit dem Claude-Lorrain-Glas gemalt haben. Gut, es war nicht neblig, aber Sie können den Unterschied immer noch sehen. Sogar mit bloßem Auge können Sie es erkennen, mit einem Vergrößerungsglas können Sie sogar die Umrisse eines gebückten Menschen wahrnehmen. Fett ist er offensichtlich nicht.« Er reichte ihnen ein kleines Vergrößerungsglas.
Jury und Fellowes sahen beide eine Zeitlang von dem Bild zu dem Foto. »Verflixt und zugenäht.« Jury war herumgekommen, um über Fellowes’ Schulter zu schauen. »Sie haben recht.«
»Ich weiß«, sagte Melrose. »Ihre Laborleute oder Ihre hochtechnisierten Polizeiapparaturen könnten das hier doch gewiß so weit vergrößern, daß man die Person sehen kann.«
Jury zog die Stirn in Falten. »Es ist ein Bild, vergessen Sie das nicht, kein Foto. Ob die Gestalt ein Mann oder eine Frau ist, ist vielleicht nicht zu erkennen.« Er lächelte Plant an. »Gute Arbeit.«
Fellowes lehnte sich zurück und atmete tief aus. »Woher wissen Sie, daß dieser Mensch nicht gesehen hat, daß ich mit dem Claude-Lorrain-Glas gemalt habe?«
»Ganz einfach. Sie würden heute abend nicht hier sitzen und Bier trinken.« »Apted? Sie meinen diesen Pete Apted, Queens’s Counsel? Mein Gott, Sie haben ja Beziehungen. Ich weiß, angeblich hält man große Stücke auf Sie, aber es überrascht mich, daß die Metropolitan Police für Sie sogar Apted bezahlt.«
»Danke für das >angeblich<, und nein, die Met würde seine Honorare wohl kaum für mich zahlen. Aber ihm habe ich es zu verdanken, daß ich wieder im Dienst bin.«
Melrose war bei seinem dritten Glas Jennings, wurde aber gar nicht betrunken. Er machte sich zu viele Sorgen um Jury. »Es tut mir leid. Und ich bin nicht einmal auf den Gedanken gekommen, daß Sie ernsthaft in Schwierigkeiten sein könnten.«
»Es ist aber jemand anderem in den Sinn gekommen. Einem anonymen Jemand. Haben Sie eine Idee, wer es sein könnte?«
Melrose zog die Stirn in Falten. »Trueblood hätte das Geld ... Ach, Quatsch! Trueblood anonym?« Seine Züge erhellten sich. »Vivian! Mein Gott. Es muß Vivian sein. Trueblood muß es ihr stante pede hinterbracht haben. Das wäre viel besser, als von einem Lastwagen angefahren zu werden.«
»Besser? Wofür?«
»Kleiner Scherz am Rande.« Er sprach schnell weiter. »Die werden Sie lesen wollen.«
Aus dem Rucksack zog er das Bündel Briefe und warf sie auf den Tisch. »Ich hab gedacht, ich behalte sie besser bei mir. Sie wurden mir gestern abend bei der Dinnerparty übergeben -einfach so, wenn Sie mir das glauben können.«
»Und von wem?«
»Einer Lady Cray.« Er stützte den Kopf in die Hände. »Sie ist Patientin oder Gast, nennen Sie es, wie Sie wollen, in
Castle Howe. Sie ist mit Adam Holdsworth gekommen. Zu der Dinnerparty, meine ich. Sie ist ziemlich ... ungewöhnlich.«
»Sie sind an Jane adressiert.« Jury saß ganz still. »Was steht drin?«
»Sie klingen wie ... ich weiß nicht ... wie Liebesbriefe, und trotzdem sind sie ... hm, erstens sind sie sehr kurz ... und zweitens sind sie getippt. Mit dem Computer.« Er sah Jury an. »Würden Sie Liebesbriefe auf dem Computer schreiben?«
»Nein.«
Melrose schwenkte sein fast leeres Glas in kleinen Kreisen. »Überhaupt mal welche geschrieben?«
»Einen oder zwei. Wie hat diese Lady Cray sie in die Hände bekommen?«
»Das ist noch merkwürdiger. Sie behauptet, sie sind aus Kingsleys Büro.«
»Und wie ist sie drangekommen?«
»Hat sie mir nicht
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