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Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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schrecklich.«
    »Ja. Was werden Sie unternehmen, um ihn zu finden?«
    »Das übliche. Wir haben Bilder an die Polizeistationen in der Provinz gefaxt, vor allem natürlich nach Cumbria. Aber wahrscheinlich ist er in London.«
    »Hm, unter das Dach seiner Großeltern würde er sich ganz bestimmt nicht flüchten. Schon irgendwelche Ergebnisse?«
    »Das übliche. Mindestens hundert Anrufe von Leuten, die einen Jungen gesehen haben, auf den die Beschreibung zutrifft.«
    »Was ist mit -« Jury mußte sich räuspern. »Der Obduktion? Wann wird sie gemacht?«
    »Ich weiß nicht genau. Möglicherweise morgen.«
    »Hören Sie, hätten Sie was dagegen, wenn es entweder Dr. Cooper oder Dr. Nancy machten? Kennen Sie sie?«
    Kamir schrieb sich die Namen auf. »Willie Cooper, ja. Dr. Nancy nicht.«
    »Phyllis Nancy. Die beiden sind die besten, die wir haben, finde ich. Und ehrlich gesagt, hm, ich kann ... leichter mit ihnen reden.«
    »Sicher.« Dann schwiegen sie.
    Kamirs Schweigen war merkwürdig. Es war ein erwartungsvolles Schweigen, eines, das zuhörte, dachte Jury. Und er konnte sich ausrechnen, worauf Kamir wartete - auf etwas mehr als das, was er bisher von Jury vernommen hatte. »Ich wollte sie heiraten. Oder sollte ich sagen, ich wollte sie fragen, ob -« Er hatte die Schatulle mit dem Ring immer noch in der Tasche; bevor er die Bilder gesehen hatte, hatte er fast geglaubt, daß von dieser Tatsache eine Macht ausging - die Macht wozu? Das war ja wie Wiggins’ Glaube an Kohlekekse und Gartenraute. Aber es brach wenigstens in gewisser Weise den Bann. Jury legte die Schatulle auf den Tresen und sagte: »Den habe ich gestern gekauft.«
    Kamir, der sehr viel Taktgefühl besaß, wie Jury allmählich mitbekam, machte keine Anstalten, sie anzufassen. Er sah sich das abgegriffene, burgunderrote Samtkästchen nur an und sagte schließlich: »Ich hatte mir schon gedacht . hm, weil Ihr Name so oft, so sehr oft in dem Kalender steht ... daß die Beziehung vielleicht sehr eng war. Ich kann nur wiederholen, es tut mir leid.« Er sprach schnell weiter. »Es erstaunt mich immer wieder, daß die Leute (jedenfalls wenn sie Mitgefühl haben, woran es vielen mangelt) Selbstmörder gern als Menschen sehen, die >mit allem Schluß machen wollen<. Die vielschichtigen Zusammenhänge sehen sie nicht ... Ich glaube, daß es ein sehr komplizierter Akt ist. Ich frage mich manchmal, ob das Opfer meint, es sei die Lösung all der verschiedenen Konflikte, die es je gequält haben, weil die Handlung so komplex ist. Meinen Sie nicht auch?«
    »Nicht in Janes Fall, nein. Zum einen hing sie zu sehr an ihrem Sohn.«
    Kamir sah von seiner leeren Tasse hoch. »Und zum anderen an Ihnen.«
    Jury nahm das rote Kästchen in die Hand. »Vielleicht stimmt das ja gar nicht. Vielleicht habe ich sie völlig mißverstanden.« Er konnte nicht verhindern, daß sich ein Hauch von Verbitterung in seine Stimme einschlich. Er fühlte sich, das konnte er ruhig zugeben, betrogen.
    »Möglicherweise ist Ihr Urteil getrübt, weil Sie so wütend sind.«
    »Ich bin nicht - ach, was soll’s. Ja, ich bin wütend.«
    Kamir nickte verständnisvoll. »Wir haben von dem Kleid gesprochen. Aber ich rätsele noch an den Schuhen herum.«
    »Den Schuhen?«
    Auf seine schüchterne Art, als ob er Jury nicht unnötig belasten wolle, schob er ihm vorsichtig eines der Fotos hin. Es zeigte Jane Holdsworth ausgestreckt auf der Chaiselongue. Sie hatte Strümpfe an, aber keine Schuhe. Jury erinnerte sich, daß er die schwarzen Pumps, die so sorgfältig ans Bett gestellt waren, gesehen hatte. »Wahrscheinlich bin ich schwer von Begriff, Mr. Kamir, aber ich weiß nicht, was Sie meinen. Wenn sie eine Handvoll Pillen genommen hat, wollte sie doch wahrscheinlich nicht zu einem Spaziergang aufbrechen.« Abrupt schob er das Foto zurück.
    »Was ich sagen will, ist, wenn sie sich, bevor sie die Pillen genommen hat, Gedanken über ihr Aussehen gemacht hat - was wir ja schon anläßlich des Kleides gesagt haben -, warum hat sie dann nicht die Schuhe angezogen?«
    Jury schwieg.
    »Sie haben gestern mit ihr zusammen zu Abend gegessen oder wollten es zumindest?«
    »Ich wollte es, ja. Aber sie sagte, sie könne nicht, sie habe eine andere Verabredung. Woher wissen Sie das überhaupt?«
    Ein rücksichtsvolles Schulterzucken. »Aus dem Kalender. >R, Essen<, stand darauf. Es war durchgestrichen.« Kamir zuckte wieder mit den Schultern. »Sie wissen nicht, wen sie treffen wollte?«
    Jury schüttelte den Kopf.

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