Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht
Aufgabe.«
Millie kaute von innen an ihren Wangen und sagte: »Unten im Keller. Mit der Köchin. Sieht nach dem Wein.«
Melrose meinte, aus den Sprechpausen die Andeutung herauszuhören, daß Butler und Köchin mehr taten, als nur nach dem Wein zu sehen.
Millie ging; Madeline wandte sich Melrose zu. »Ihr Freund, Superintendent Jury, hat gesagt, daß Sie ab und zu mal einen Job annehmen, der Ihren Interessen entspricht.«
Aha, Plant, der Penner, der in ausgebeulten Hosen herumschlurfte und Philodendronableger hätschelte oder in Mülltonnen wühlte. Ihm wäre, wenn schon keine noblere, so doch wenigstens eine geheimnisvollere Tarnung lieber gewesen ... und jetzt sagte sie irgendwas von »exzentrisch«, hob eine Augenbraue, lächelte, als ob sie, Melrose und der Superintendent ein Geheimnis teilten.
Exzentrisch. Er war versucht, den Lampenschirm mit den Seidenfransen zu nehmen und ihn sich auf den Kopf zu setzen.
»Wir kennen uns schon lange.«
»Ja. Der Job ist leider nicht für lange. Es hängt natürlich davon ab, wie schnell Sie das Katalogisieren schaffen. Aber da Sie ja als Bibliothekar gearbeitet haben, wenn ich richtig informiert bin, sollte das kein Problem sein.«
Ein exzentrischer Bibliothekar mit abgelatschten Absätzen. »Nicht sehr lange.«
»Ich hoffe, daß wir alles zu Ihrer Zufriedenheit einrichten können. Sie können gern im Tarn House wohnen, aber wenn es Ihnen lieber ist, kann ich Ihnen auch ein Zimmer im Dorf besorgen. Meines Wissens vermietet das Pub The Old Contemptibles Fremdenzimmer.«
»Ich würde weitaus lieber hier im Haus wohnen.« Er rieb sich mit der Hand das Knie. »Bin ein bißchen lahm auf einem Bein, deshalb vermeide ich es, allzuviel zu laufen.« Das Auto hatte er ganz vergessen.
Sie sah an ihm herunter und runzelte die Stirn. »Ist mir gar nicht aufgefallen.«
»Kommt und geht.« Er wollte von wackligen Beinen abkommen und interessantere Pfade beschreiten, deshalb nahm er ein Foto zur Hand und wartete auf ihren Kommentar. Aber sie ging zum Kamin und ergriff eine Figur aus Staffordshire-Porzellan, einen Schäfer, der sich an seinen Stab lehnte. Den sah sie mit ausdrucksloser Miene an, vielleicht war ihr gar nicht bewußt, daß sie ihn in der Hand hielt. Sie hatte andere Dinge im Kopf.
»Darf ich?« Als sie sich umwandte, deutete Melrose auf einen von zwei Queen-Anne-Ledersesseln, die zu beiden Seiten des Tisches mit dem Silbertablett standen.
»Oh! Verzeihung! Ja bitte, nehmen Sie Platz.« Madeline hörte auf, mit dem Porzellanschäfer herumzuhantieren, setzte ihn auf den Tisch und schenkte dann den Sherry aus, einen sehr feinen Amontillado. Mit dem Glas in der Hand setzte sie sich in den anderen Sessel. »Ich fürchte, bei dieser Befragerei bin ich ziemlich ungeschickt. Mr. Holdsworth denkt anscheinend, nur weil ich gern lese«, sie blickte sich in der edlen Bibliothek um, »kann ich Ihnen an der Nasenspitze ansehen, ob Sie gut katalogisieren und Karteikarten anlegen können. Oder was er sonst noch will.«
»Warum führt er die Einstellungsgespräche dann nicht? Er ist doch derjenige, dem ich genehm sein muß.«
Sie schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich, weil er schüchtern ist. Das stimmt aber eigentlich nicht. Wahrscheinlich sitzt er jetzt irgendwo in den Kulissen und paßt den rechten Moment ab, um hereinzuwandern und dabei schrecklich beschäftigt auszusehen. Es ist seine kleine, hm, Pose muß man das wohl nennen. Er bewundert Robert Southey so sehr, daß er dessen Körperhaltung und Gewohnheiten nachäfft. Nach Bildern und Porträts. Ich bin sicher, er würde liebend gern einen Vatermörder mit lässig gebundener Schleife tragen. Wie Southey auf einem der Porträts. Manchmal glaube ich, er hält sich schon für Southey.«
»Wie unangenehm, schließlich ist Robert Southey tot.«
Ihr Lächeln war ein bißchen gezwungen. Das Schicksal ihrer Schwester hatte sie wohl kaum in die Stimmung für schlechte Scherze versetzt. »Soll ich Ihnen Ihre Aufgaben erklären?«
»Das wäre wohl angebracht.«
»Da Sie Bibliothekar sind, werden Sie es besser verstehen als ich. Crabbe will, daß seine Sammlung in einer Kartei erfaßt und mit Querverweisen versehen wird. Sie wissen schon -Stichwort, Autor, Titel und so weiter. Sind Sie schon in Greta Hall gewesen?«
»Nein. Ich bin gerade erst angekommen.« Sicher gehörte es zu seinen Pflichten, einmal das Grabmal Southeys zu besuchen. Warum, um Himmels willen, Southey? Wenn man sich schon mit dieser Lake-Dichterschule abgeben
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