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Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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abgenutzter waren als die Flicken auf seinen Ärmeln. Auf einem Tisch im Eingangsraum, unter ein paar verstaubten Drucken von Gänsen und Fasanen, lag ein Gästebuch, und darüber hing ein Schild mit der Aufschrift Fremdenzimmer.
    Der Schankraum war heller als der Flur, weil er mit bronzefarbenen Hebeln und halb abgeschirmten Neonlampen ausgestattet war. Sie hingen über einem großen Spiegel, dessen Rahmen neu versilbert werden müßte und der in dem einfachen Raum mit Kartentischen und Holzbänken völlig übertrieben wirkte.
    Ein gerahmtes Dokument an der Wand genau neben der Tür verkündete, daß O. Bottemly die Lizenz besaß, Alkohol und Essen zu servieren.
    O. Bottemly mußte es auch sein, der mit dem eindeutigen Gebaren eines Besitzers am Tresen entlang auf den Neuankömmling zustolzierte. Bedaure, Sir, kein Old Peculier, aber ich habe Jennings, das ist ausgezeichnet und sehr kräftig, versicherte er Melrose.
    Ein so abgelegener Pub hatte wenig Laufkundschaft, aber dafür ließ sich das halbe Dutzend Gäste, die auf den Barhockern zu kleben schienen, ordentlich vollaufen. Nachdem er schon ein paar Dorfbewohner auf der Straße gesehen hatte (drei waren über Spazierstöcke gebeugt gewesen) und nun auch noch die hier Sitzenden in Augenschein nahm, fragte sich Melrose, ob es überhaupt jemanden unter fünfzig gab. In Boone schien das Alter eine ansteckende Krankheit zu sein, gegen die noch kein Impfstoff gefunden war.
    Nicht einmal die Frau, die durch einen Vorhang in der Tür kam, verkörperte eine überzeugende Illusion von Jugendlichkeit. Aber sie hatte sich eindeutig alle Mühe gegeben: Ihre üppigen Brüste und Hüften hatte sie in ein geblümtes Volantkleid gezwängt und sich mit Perlen und Armbändern, Rouge und karminrotem Lippenstift geschmückt. Letzterer überschritt großzügig die natürlichen Konturen ihres Mundes. Sie ging zur verspiegelten Bar, füllte sich ein Glas mit Sherry und stellte sich im Umdrehen als Connie Fish vor. Geschäftsführerin, fügte sie der Sicherheit halber hinzu. O. Bottemly räusperte sich und kaute an einem Zahnstocher.
    »Die alte Con«, sagte ein Stammgast und hob ein fast leeres Glas.
    Ein weiteres gerahmtes Dokument an der Wand verriet, wo der Name der Kneipe herkam: Es war nach dem gleichnamigen britischen Expeditionskorps benannt, das 1914 in Frankreich landete und angeblich von Wilhelm II. als »General Frenchs ehrlose kleine Armee« lächerlich gemacht wurde. Das sollte einen lehren, keine vorschnellen Urteile zu fällen, dachte Melrose.
    Er sah die Reihe Gesichter an und lächelte freundlich. Ein Mann hatte den Kopf auf den Tresen gelegt. Er schlief fest und schnarchte, aber die anderen fünf lächelten zurück. Connie Fish auch, von ganzem Herzen. Mit den Fingern fuhr sie sich durch das mit Gel vollgeklatschte, farblose Haar. Es sah wie gebleichtes Gras aus.
    Der Gentleman neben Melrose sagte: »Guten Tag, der Herr«, und musterte ihn von Kopf bis Fuß.
    Melrose erwiderte den Gruß und erkundigte sich, ob er im Dorf wohne.
    Der Mann nickte und fragte: »Von der Polizei?«
    Melrose war überrascht. »Keineswegs. Erwarten Sie die Polizei?«
    Da fingen alle auf einmal an zu reden, und es war, als schäumten plötzlich gewaltige Sturzbäche schroffe Abhänge hinab. Melrose ertrank beinahe in ihrem Wortschwall.
    Ein alter Mann mit tränenden Augen, den die anderen »Triefauge« nannten, erzählte ihm: »Das Kind wird vermißt .«
    »... Holdsworth. Die Mutter ermordet.«
    ». in London war’s.«
    Die korpulente Frau namens Mrs. Letterby lehnte sich über drei ihrer Mitbürger und rief Melrose zu: »Mord war’s nicht! Die Mutter hat sich selber abgemurkst.«
    Ein Knochengestell in einem braunen Anzug schüttelte den Kopf. Melrose konnte allerdings nicht erkennen, ob das nicht einfach nur sein Tatterich war. Der ihn im übrigen auch daran hinderte, sein Glas zu heben. Die Hände schafften es nicht bis zum Mund. Der Strohhalm flutschte in das leere Glas zurück und schlug Blasen.
    Die Nachrichten über Selbstmord und Verschwinden stillten ihren Durst nach Aufregung nicht. Sie wollten auch etwas Flüssiges. Sie wandten die Köpfe im Takt in seine Richtung und gestikulierten mit leeren Gläsern.
    Woraufhin er für alle etwas zu trinken bestellte. Als die Getränke da waren, fragte er: »Wann ist das alles passiert?«
    »Paar Tage her«, sagte ein Mann namens Billy und hob sein frisches Bier, um seinem Gönner zuzuprosten.
    »Das muß für die Familie ja schrecklich

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