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Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Der kleine Kugelschreiber, der noch in dem Buch lag, hatte blaue Tinte. »R. Jury.« Wer war das? »Superint.« Superint.? Es war eine Londoner Nummer.
    Alex runzelte die Stirn. Der Name hatte etwas Vertrautes. Hatte sie ihn mal erwähnt? Nein. Hatte er den Namen schon mal gesehen? Er runzelte mißbilligend die Stirn. Er vermutete, daß es ein Mann war, wegen des Anfangsbuchstabens für den Vornamen. Bei Freundinnen war es immer umgekehrt. »Helen V«, zum Beispiel. Superint.
    Superintendent?
    Alex schloß das Buch und sagte zu Hexer: »Ein Polizist ?«
    Melrose sass mit den anderen in der düsteren Atmosphäre des halbdunklen Eßzimmers und fragte sich, wie sie es schafften, dieses abendliche Ritual durchzustehen. Denn nach den kurzen Gesprächen, die er mit mindestens dreien der fünf
    Anwesenden geführt hatte, war kaum anzunehmen, daß ihre triste Stimmung nur von der Tragödie verursacht wurde, die sie getroffen hatte.
    Die Tür zwischen Eßzimmer und Küche schwang in bestimmten Abständen auf und zu und erlaubte ihm hin und wieder einen Blick in die Tiefen des Styx: den
    Verbindungsflur und das Anrichtezimmer. Gericht folgte auf Gericht; nur die Qualität des Essens verlieh dem Dinner eine heitere Note. Eine Pastete aus Austern, Fleisch und Starkbier! Geringfügig besser wäre sie nur gewesen, wenn man Old Peculier statt Guinness genommen hätte.
    »Der wird schon wieder auftauchen. Muß er ja«, sagte George Holdsworth, der offenbar weniger an Alex dachte als daran, daß es zum Abendessen nur diese AusternHammelfleisch-Pastete gab - statt des Fasans, den er heute morgen geschossen hatte. George war der jüngere der beiden Brüder, aber er sah älter aus, vielleicht hatte die viele Zeit, die er im Freien verbrachte, sein Gesicht, das dem sanften Gesicht seines älteren Bruders mit der hohen Stirn nur entfernt ähnlich sah, wettergegerbt und gefurcht. »Gedächtnisverlust. Schock. Irgendwas«, fuhr George fort, als schieße er in regelmäßigen Abständen auf ein Ufo, das in sein Blickfeld geraten war.
    »Mach dich nicht lächerlich, George«, sagte Genevieve. Dieser Satz folgte wie ein Reflex auf alles, was George laut überlegte. »Alex vergißt nie etwas.« Das klang, als ob es ihr ganz recht wäre, wenn der Junge einmal etwas vergessen würde.
    Crabbe nahm sich von den Erbsen und den Röstkartoffeln, die Hawkes servierte. Melrose hatte immer das Gefühl, als schleiche sich Hawkes mit seinen silbernen Schüsseln und gemurmelten Sirs von hinten an ihn heran. »Aber vielleicht hat George gar nicht so unrecht. Ein bißchen ist Alex wie sein Vater.« Er legte die Löffel in die Schüssel zurück, so daß Hawkes sich wieder in die Schatten zurückziehen konnte, und sagte: »Mein Sohn Graham, Mr. Plant -«
    Melrose sah rasch zu Madeline Galloway hinüber, um ihren Gesichtsausdruck zu erhaschen; ihr Kopf war über den Teller gebeugt, aber sie hatte aufgehört zu essen.
    »- war ein Dichter. Und ich glaube, er wäre ein großer geworden, wenn er - noch lebte.«
    Melrose hätte schwören können, daß er hörte, wie George zwei Silben murmelte: Un-sinn.
    »Aber wenn man hier an den Seen lebt, ist es vermutlich schwer, kein Dichter zu sein.«
    Im Gegenteil, dachte Melrose, es wäre schwer, einer zu sein und sich dabei nicht dämlich vorzukommen. »Es tut mir leid.« Er hatte das Gefühl, den ganzen Abend damit zuzubringen, sein Beileid auszusprechen. »Wie ist er -?«
    Anstatt zu antworten, behielten sie alle den Blick auf ihren Tellern. George wollte etwas sagen, aber sein Bruder kam ihm zuvor und sagte zu Melrose: »Ein Unfall.«
    Da er diese Stelle durch einen Freund bekommen hatte, der Polizist war, hielt Melrose es für das beste, so wenige Fragen wie möglich zu stellen und darauf zu spekulieren, daß sie im Verlauf des Gesprächs schon Informationen preisgeben würden. Trotzdem wunderte er sich, daß eine Familie so vom Pech verfolgt sein konnte. Hier hatte es offensichtlich reichlich »Unfälle« gegeben, was er in der Hoffnung, daß George wirklich so unsensibel war, wie er annahm, mit der allzeit verläßlichen Floskel kommentierte: »Jeder hat sein Päckchen Kummer zu tragen.«
    Seine Hoffnung trog ihn nicht. »Virginia. Vergeßt die liebe alte Ginny nicht.«
    Melrose sah, wie Genevieve ihre Zigarette ausdrückte; sie war so unhöflich gewesen zu rauchen, während die anderen noch aßen. »Ach, sei doch still, George. Findest du nicht, daß wir schon genug Sorgen haben?«
    George ignorierte sie.

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