Grimes, Martha - Mordserfolg
Buch, in dem mit den beiden Hauptfiguren – außer ihnen kam fast niemand vor –, die getrennt voneinander lebten, eigentlich nicht besonders viel passierte. Es war seltsam: Sie schienen füreinander bestimmt zu sein und kamen doch irgendwie nie zusammen.
Candy war ganz anders. Er war – abgesehen von ein wenig Sciencefiction – kein großer Leser, er las eigentlich gar nicht, und irgendwie fand Karl es bewundernswert, dass Candy sich dieses Buch von Paul Giverney vorgenommen hatte. Besonders aufregend fand Candy es, immer neue Leute und neue Orte kennen zu lernen. In dieser Hinsicht hatte er genau den richtigen Job, denn sie kamen viel herum. Das Leben in Las Vegas hatte es Candy besonders angetan. Einmal hatten sie dort einen Auftrag gehabt: Sie sollten einen Spielkasinobesitzer und seinen puppengesichtigen Partner umlegen. Wie Karl diese Homos hasste! Von ihm aus konnte einer schwarz, weiß, rot oder kunterbunt daherkommen, konnte Amerikaner afrikanischen, asiatischen, indianischen, amerikanischen Ursprungs sein, es war Karl scheißegal. Aber Homos? Nein, danke. Hier im Lokal wusste er schon bei den ersten paar Typen, auf die sein Blick fiel, dass sie schwul waren. »Geht so«, sagte er deshalb als Antwort auf Candys Frage. Ganz zu schweigen von Lesben. Dort drüben stand eine an die Theke gelehnt, mit glatt zurückgekämmtem dunklem Haar und stämmiger Figur, die Wurstfinger fest um eine Bierflasche geschlossen. Und damit nicht genug, rauchte sie auch noch eine Zigarre. Sie unterhielt sich mit einem großen Kerl mit langem, ungewaschenem Haar.
Swill’s war rappelvoll. Auf den ersten Blick hatte Karl gedacht, es seien Büroangestellte, die nach der Arbeit auf einen Drink vorbeischauten. Die Männer und Frauen, die flotte kleine Cliquen bildeten, sahen aus, als kauften sie ihre Anzüge und Aktentaschen alle im selben Geschäft. Bestimmt gehörte Swill’s zu den letzten Lokalen in der Stadt, die sich herzlich wenig um das gesetzliche Rauchverbot scherten.
Die Anzugträger waren Karl als Erstes aufgefallen. Die meisten anderen Gäste sah dagegen aus, als hätten sie noch nie im Leben anständig gearbeitet. Wie kam es, dass es heutzutage so viele Arbeitslose gab, die aber offensichtlich sehr wohl in der Lage gewesen wären zu arbeiten? Lauter kaputte, faule Typen, die auch noch erwarteten, dass für sie gesorgt wurde. Meine Güte, er selbst hatte sich ganz allein hoch gearbeitet auf einem kleinen College im Staate New York, dann aber kurz vor dem Abschluss einem Dekan hinter dem Wohnheim der Sigma-Kappa-Burschenschaft eine wohl dosierte Abreibung verpasst. Es war bestimmt nicht seine Schuld gewesen, dass die Sache aus dem Ruder gelaufen war. Er hätte unmöglich wissen können, dass zwei von den Arschkriechern, die der Dekan bei sich hatte – der Institutsleiter der Sportfakultät und der Studentenvorstand –, eine Knarre dabeihatten. Für die Burschenschaftler war der Vorfall natürlich ein guter Grund, gehörig einen draufzumachen. Sie waren alle betrunken, so lief das doch immer: Ihre Eltern bezahlten, und die Jungs kifften und knallten Vögel von Telefonmasten ab.
Und wegen des ganzen Schlamassels musste er dann einen Monat vor der Abschlussprüfung schleunigst verduften. Weil sein Seminar über den zeitgenössischen Roman noch nicht beendet war, bekam er den Schein nicht. So war das gelaufen. Allerdings protzte er nicht mit seiner Collegeausbildung, denn das hätten manche vielleicht in den falschen Hals bekommen und womöglich behauptet, er sei für diese Art von Arbeit überqualifiziert.
»Vielleicht«, sagte Candy, »sollten wir uns den Scheißkerl mal vorknöpfen.« Er schnippte mit dem Daumennagel auf das Umschlagfoto von Paul Giverney.
Karl fand es amüsant, dass der anstehende Auftrag auf einen Schriftsteller ausgeschrieben war, auf einen aus der Literaturszene, also etwas, worin Karl sich ein wenig auskannte. Es war ein Milieu, das ihm nicht total fremd war. Am College hatte es auch Lokale wie Swill’s gegeben. An der Theke bei Loser’s hatte er so manches Streitgespräch über Hemingway geführt –über Hemingway und Ayn Rand (soviel zum Thema taffe Lesben!).
Karl hatte sich aus einer Reihe von Gründen mit Candy zusammengetan, die nichts mit Candys Wunsch zu tun hatten, unabhängig von der Fabriconi-Familie zu operieren (für die er einige Jahre lang tätig gewesen war). Auch er ließ sich nicht gerne befehlen, er solle diesen oder jenen Kerl kaltmachen, ohne weitere Erklärungen. Leg
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