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Grimm - Roman

Titel: Grimm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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lassen, als sie hereingekommen war.
    Ja, sie erinnerte sich. Mechanisch hatte sie den Briefkasten geleert und alles, was sie hatte packen und tragen können, mit nach oben genommen. Keinen Blick, nein, keinen einzigen, hatte sie darauf verschwendet, was genau sie da in Händen hielt.
    Sie ging zu dem kleinen Häufchen hin und stocherte lustlos mit dem nackten Fuß in den Briefen und Reklameheften.
    Dann bemerkte sie ihn.
    Stutzte.
    »Was, in aller Welt«, murmelte sie leise, und der Rest des Satzes verebbte in ihrer Neugierde.
    Es war ein Brief, braun und dick, ein gepolsterter Umschlag.

    Sie bückte sich, hob den Brief auf, drehte ihn herum. Es war ein sehr offiziell aussehender Brief mit einem eleganten Schriftzug und einer ganzen Reihe von Briefmarken, runden und eckigen Stempeldrucken und gelbroten Vermerken.
    »Aus Berlin?«, erkannte sie erstaunt. Neugierig las sie den Absender: » Cornelius Abendroth, Notar «. Der Brief wog schwer.
    Sie konnte etwas ertasten.
    Hastig öffnete sie ihn, riss das Papier förmlich in Fetzen.
    Etwas fiel aus dem Umschlag heraus.
    Sie beugte sich zu Boden, wo ein großer altmodischer Schlüssel lag. Der und noch etwas, was jemand in ein altes Spitzentuch eingewickelt und mit einer Schnur verknotet hatte.
    Der Schlüssel war lang und hatte einen breiten Bart. Sah aus wie ein Requisit aus einem Stück, in dem jemand des Nachts die geheimen Räume eines alten Hauses erkundet.
    Sie ging zum Arbeitstisch und legte den Schlüssel auf einen flachen roten Stoffballen.
    Neugierig las sie das Anschreiben, das kurz und knapp verfasst worden war.
    Cornelius Abendroth stellte sich äußerst sachlich und trocken höflich als der von Maxime Gold mit der Nachlassverwaltung beauftragte Notar vor. Er sei der dringlichen Anweisung seines ehrenwerten Mandanten gefolgt, im Falle seines Ablebens augenblicklich und schnellstmöglich
diese Briefsendung seiner Tochter in Hamburg zukommen zu lassen.
    Mit zitternder Hand las Vesper den Brief.
    Liebe Vesper!
    Wenn Dich dieser Brief erreicht, werde ich tot sein. Bring den Schlüssel zu Friedrich Coppelius. Er wird Dir in allem helfen. Der Ring gehört jetzt Dir. Trage ihn immer bei Dir. Und traue niemandem!
    M.
     
    PS: Hüte Dich vor den Wölfen. Und dem, was ihnen folgt.
    Sie starrte die geschwungene Handschrift an, die ihrer so ähnlich war. Die Handschrift ihres Vaters.
    Sie drehte den Brief um, betrachtete die Rückseite und dann wieder die Handschrift.
    Hüte Dich vor den Wölfen.
    Das war alles?
    Und dem, was ihnen folgt.
    Und als Unterschrift nur M. , beinah kamen ihr erneut die Tränen. M. - so hatte er sich oft selbst genannt. M. - weil er Ian Fleming gemocht hatte? Gaetano hatte es sofort erkannt. Doch Vesper würde ihren Vater nie mehr fragen können, ob M. wirklich eine Anspielung auf die Agenten-Romane gewesen war.
    Das Briefpapier fühlte sich rau an und kalt. Sie berührte die Buchstaben, fast als könne sie es kaum glauben, sie dort zu sehen.

    Die Bemerkung des Margo-Dings kam ihr wieder in den Sinn: Kein Brief, kein nichts. War es möglich, dass der Wolf in den Besitz eben dieses Briefes hatte gelangen wollen? Doch warum?
    Hüte Dich vor den Wölfen.
    Verdammt, das alles wurde immer unheimlicher.
    Und dem, was ihnen folgt.
    Sie legte den Brief beiseite und las die angeheftete Anmerkung des Notars, der ihr lediglich mitteilte, dass besagter Herr Coppelius (laut den Recherchen, die der Notar kostenlos angestellt hatte, handelte es sich bei dieser Person um einen Schauspieler) sich in Blankenese zur Ruhe gesetzt habe.
    »Du und deine Rätsel«, murmelte Vesper nur, musste sogar kurz lächeln, und fragte sich, was sie mit dieser Information anfangen sollte. Dies alles kam ihr so vor, als sei sie in einem Drehbuch ihres Vaters gefangen. Maxime Gold hatte Rätsel geliebt. Moonfleet - Das Schloss im Schatten von Fritz Lang war für ihn der Inbegriff des perfekten Films gewesen.
    Sie hob den Schlüssel auf und drehte ihn in der Hand hin und her. Er war alt und groß und sah aus, als würde er zu einem uralten Schrank oder einer mächtigen Truhe oder etwas ähnlich magisch Verwunschenem gehören.
    Sie las den Brief erneut, berührte zögerlich die Handschrift ihres Vaters, fand aber keinen Hinweis darauf, welchem Zweck der Schlüssel diente - sah man einmal davon ab, dass sie ihn besagtem Friedrich Coppelius überbringen sollte.

    Sie seufzte.
    Maxime Gold hatte also vorhergesehen, dass er sterben würde, und er hatte geahnt, dass der Tod, wenn er

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