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Grimms Erben

Grimms Erben

Titel: Grimms Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Weber
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wie das Jodeln in den Alpen.
    Sauckel boxte Nusser heftig in die Seite und sagte: »Fresse. Mensch, Nusser. Geschlechtsverkehr ist Ejakulation. Orgasmus, kapiert? Und das im besten Falle öfter hintereinander und das im besten Falle täglich mehrere Male und das im besten Falle immer mit einem anderen tollen Weib. Und dann ist das Sport, das kann ich dir sagen.« Sauckel wieherte wie ein Sylvesterheuler auf. Und natürlich krachte erneut seine Faust gegen Nussers Oberarm.
    Nusser versuchte auszuweichen, aber Sauckel war schnell und traf hart. Schließlich war er durchaus auch ein guter Faustkämpfer.
    »Nusser, du musst perverser werden.«
    »Wie bitte?«
    »Du musst eine Drecksau sein. Das hilft dir auch bei der Arbeit hier.« Sauckel machte mit dem rechten Arm eine umfangreiche Bewegung, als wollte er die schöne Gegend präsentieren, bis er den Arm ausgestreckt unter Nussers Nase hielt. »Heil Nusser!«, sagte er pathetisch und kicherte dann wie verrückt.
    »Sauckel, hören Sie auf. Man verhaftet uns wegen Ihres Blödsinns.« Nusser war sichtlich nervös, und das Gespräch war ihm äußerst unangenehm. Knödel entwickelten sich in seinem Hals. Schweißperlen der Unannehmlichkeit bildeten sich unter seinem Helm.
    Sauckels Stimme nahm einen nasalen Ton an, er schürzte die Lippen nach vorne und rollte das R: »Wollt ihrrr den tortalen Fick?« Sauckel explodierte, bleckte aus der Kehle polternd die Zähne. Als er sich endlich wieder beruhigte, fügte er trocken an.
    »Du musst perverser werden. Wix in deine Stiefel, Nusser.«
    »Was?«
    »Wix in die Stiefel. Los. Sofort.« Sauckel blieb stehen, deutete mit der Linken auf Nussers Lederstiefel. Mit der rechten, hohlen Hand vollführte er Auf- und Abbewegungen. Er insistierte:
    »Wix in deine Rotweinstiefel. Du liebst doch deine Stiefel oder, Nusser? Welcher Irre putzt seine Lederstiefel mit Rotwein? Im Grunde ist das pervers genug. Also wix da mal rein, du wirst sehen, das ist gut.«
    Nusser nahm an, dass Sauckel den Verstand verloren hatte. Er würde sich beim dafür zuständigen Offizier darum bemühen, dass er nur noch mit Seitz, Baumgartner, Müller oder Dehring gehen musste. Oder einem Unbekannten, das war allemal besser. Sauckel war übergeschnappt. Ja, was fällt dem ein?
    Folgendes fällt dem ein:
    »…oder binde dir mal mit deiner Unterhose die Eier ab, wenn du deine Frau besteigst.«
    »Sauckel!«, schrie Nusser hastig, erschreckte sich zugleich für die zu laute Vorgehensweise. Falls sie welche in ihren Verstecken aufspüren wollten, sollten diese nicht mit lauten Wortfahnen zur Flucht aufgefordert werden. Dennoch wollte er Sauckel zur Räson bringen. Leiser fuhr er fort: »Sauckel, ich möchte Sie daran erinnern, dass wir hier im Namen des Führers eine Mission …«
    »Fresse, Nusser. Der Führer ist dir so egal wie mir. Ärsche sollen gerettet werden, und zwar in erste Linie meiner, Nusser. Das hier sitze ich ab, bis es vorbei ist, dann gehe ich heim und werde Feste feiern, die auf nackter Haut und in Champagnerbädern stattfinden werden. Übrigens, mit Flaschen kann man im Grunde immer interessantes Zeug ausprobieren. Du kannst die leicht in Öffnungen einführen, das bringt zusätzlich Spaß.«
    Nusser wandte sich ekelerregt ab und schritt mit klirrendem Gewehr davon. An seinen Hinterkopf prallten weitere Sexualpraktiken aus Sauckels Schmutzmund, mit denen Nusser sein frommes Gehabe ablegen sollte. Zum Beispiel könnte er eine Melone drei Finger breit aushöhlen, sofern er irgendwoher eine Melone bekomme, und sich darin reiben oder bei Lady Lydia am Bahnhof sich saftig auspeitschen lassen, zusammen mit der flexiblen Rumänin Daria, welche niedliche Beißspuren in der Haut hinterließ, so wahr er »Saukerl« heiße. Oder er solle auf alle Fälle heute Abend mit ihm kommen, er erwarte eine Dame, welche sehr dünn und von leichtem Gewicht sei. Sie könnten sich die Frau zuschmeißen, nackt versteht sich, bevor sie sich von ihr eine Nachwettkampfsmassage verpassen ließen. Das sei Leibesertüchtigung, schrie ihm Sauckel hinterher.

    Die Tänzer mit den zwei Stöcken
    Ignaz Buchmann trat aus dem Haus, das ihn gestern wie ein dunkler Schlund verschluckt hatte. Blinzelnd erreichte er die Straße. Euphorisch und im Wissen, ein perfekter Flüchtling zu sein, erwartete er einen guten Tag. Er war weiter im Geschäft. Er würde finden, was er suchte. Den Mann namens Krupp. Nichts anderes hatte er im Sinn. Besessen davon, bekam er vom Krieg nur insofern etwas mit,

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