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Grimms Erben

Grimms Erben

Titel: Grimms Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Weber
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frage ich Sie.
    Mir wurde vor gut zwei Jahren mein Job bei PumpLine gekündigt. Der konzentrierte Heckmeck nach dem Alpenaufenthalt, die Absage des Verlages an PumpLine, unsere Illustrationen nun doch lieber nicht verwenden zu wollen, das Überbringen des Pakets an August Locher, das alles hat mich in einen orientierungsarmen Zustand versetzt. Folglich war meine Arbeitseinstellung dermaßen löchrig, dass ich nach einigen Warnungen die Firma verlassen musste. Wenn Sie nun denken, ich bin nicht belastbar, dann antworte ich, das mag sein.
    Aber ich war es leid, für einen aufgeblasenen Chef, der sich durch die schlechte Anwendung der englischen Sprache für international konkurrenzfähig hält, Jobs zu verrichten.
    »Sorry Tschossef, your work is shit since the last four weeks.«
    Ich wurde hinausgeworfen. Mir tat es nicht weh. Im Gegenteil.
    Ich machte eine Pause und druckte irgendwann meine eigene Visitenkarte:
    Josef Franz Paul Schmidt
    Alias Graf Iker
    Kommunikationsdesign zwischen Meer und Berg
    T: +49 (0)171 3339993
    F: +49 (0)40 – 3339993
    I: [email protected]
    Solche Veränderungen schreibt das Leben. Aber bitte, das ist noch gar nichts.
    Nach meiner Rückkehr aus Schweden erreichte mich ein handgeschriebener Brief aus der Justizvollzugsanstalt Straubing. Absender August Locher.
    Sehr geehrter Herr Schmidt,
    lieber Joseph,
    Sehe es mir nach, dass ich mich nicht über die E-Mail-Adresse melde, aber mich erleichtert das Benützen von Papier beim Schreiben ungemein.
    Natürlich würde ich gerne von Dir erfahren, wie Du in den Besitz des Briefes, den Du mir vor etwa drei Monaten übergeben hast, kamst. Diese Frage zermartert mir ein wenig das Gehirn.
    Es war eine Nachricht von meinem Großvater Zacharias Locher. Wenngleich ich weiß, dass er nicht mehr am Leben ist, würde mich interessieren, ob Du ihn persönlich angetroffen hast, gar kanntest, ab der Auftrag, das Paket zu übergeben, überhaupt ein Arrangement meines Großvaters gewesen ist, bevor er sich das Leben nahm? Du musst wissen, wir waren sechzehn Jahre getrennt. Als wir beide uns in den Mieminger Bergen trafen, war ich kurz davor, ihn in der Mandlhütte anzutreffen. Er ging zu früh, ich kam zu spät. Schade, ich hätte ihn gerne noch einmal in den Arm genommen.
    Falls Du mir über euer Zusammentreffen nicht berichten willst, will ich das akzeptieren.
    Nichtsdestotrotz werde ich Dich um einen Gefallen bitten.
    Bist Du in der Lage, für mich einen Buchverlag ausfindig zu machen? Es klingt phantastisch, aber ich hege großes Interesse, ein Buch zu veröffentlichen. Da ich, wie Du wießt, in einem »Gefängnis« sitze, fehlt mir hierfür ein Agent. Meine Betreuung, so will ich die Personen nennen, die für meine Resozialisierung verantwortlich scheinen, finden mein Vorhaben lächerlich, auch wenn sie es anders auszudrücken.
    Ich wende mich an Dich, weil Du, ohne es zu wissen, eine sehr verantwortungsvolle Arbeit übernommen hast. Du bist Teil eines Eides, an dessen Ende die Veröffentlichung eines Buches steht.
    Es sind zwölf märchenhafte Geschichten und ein Prolog. Die ersten fünf schrieb der Bruder meines Großvaters, die restlichen sind von mir.
    Bestimmt überrumpelt Dich meine Anfrage. Aber Du wirkst offen und vertrauenswürdig. Und ohne Dich, beziehungsweise ohne die Übergabe des Paketes durch Dich, würde ich diese Anfrage nicht stellen können.
    Mit freundlichen Grüßen,
    August Locher
    Aus dem Kuvert flatterten ein weiteres Kuvert und ein Notizbuch. In dem Kuvert waren teilweise mit Heftklammern zusammengefügte Papierbögen. Es waren Kopien. Fünf Geschichten. Ich erkannte sofort, die Kopien mussten von sehr alten, zerschlissenen Originalen stammen. In einem schönen Notizbuch mit Ledereinband fand ich sieben weitere Erzählungen. Ich las mich ein – ehrlich, ich war mehr als neugierig. Vor mir breiteten sich zwölf sonderbare, aber wunderbare Geschichten aus. Alle handverfasst, in zwei unterschiedlichen Handschriften. Die eine verschnörkelt, die andere akkurat, gerade, hart, alle Buchstaben gleich. Wie schabloniert.
    Ich stürzte mich in die geheimnisvollen Geschichten und beendete das letzte Wort der letzten Fabel nach 208 Minuten.
    Heute fesseln sie Tausende von Menschen.
    Ich will Ihnen in kurzen Schwüngen erklären, was dahintersteckt.
    Ich bin August Lochers Ansinnen nachgekommen, habe mit ihm wieder Kontakt aufgenommen und wurde von ihm in das Geheimnis des Buchmanneides eingeweiht.
    Faszinierend. Eine seltsam verrückte, aber auch

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