Grimwood, Ken - Replay
Weißt du, mein Freund, manchmal hab ich nicht den leisesten Schimmer, wovon du überhaupt redest.«
»Ich auch nicht, Frank; ich auch nicht. Komm schon, laß uns ins Kino gehen. Eine kleine Flucht aus der Realität, das ist genau das, was wir brauchen.«
Am nächsten Tag fuhren sie direkt nach Las Vegas durch, sich gegenseitig am Steuer des Avanti ablösend. Jeff war noch nie in Nevada gewesen, und der neonbeleuchtete Strip erschien ihm leerer, weniger grell, als er ihn aus Filmen und Fernsehshows der achtziger Jahre in Erinnerung hatte. Dies war ein Las Vegas vor Howard Hughes, bevor das hereinströmende Hilton- und MGM-Kapital die gewaltigen, ›respektablen‹ Casinohotels aufgebaut hatte. Casinos, die jetzt dieses unwirklich kleine Teilstück der Nevada State Road 604 dominierten, waren niedrige, urwüchsige Überbleibsel der Gangsterära der Nachkriegszeit: Das Dunes, das Tropicana, das Sands. Rat Pack-Las Vegas, geradewegs aus alten Gaunerfilmen mit swingenden, fingerschnippenden Soundtracks entsprungen. In der heißen, trockenen Luft lag noch eine provozierende Andeutung von Lasterhaftigkeit.
Sie checkten im Flamingo ein, hinterlegten im Hotelcasino sechzehntausend Dollar in bar. Der zweite Geschäftsführer, nichts als Zähne und Großspurigkeit, gewährte ihnen eine Gratis-Dreizimmersuite und all das Essen und Trinken, das sie für die Dauer ihres Aufenthalts benötigten.
Frank verbrachte den Abend damit, sich die Black-Jack-Tische anzusehen: die Zahl der in Gebrauch befindlichen Tische, die Regeln des Aufteilens und Verdoppelns, die Geschwindigkeit und die Persönlichkeit der verschiedenen Kartengeber. Jeff sah sich eine Weile mit ihm zusammen um, dann begann er sich zu langweilen und ging weg, um im Casino herumzuwandern, die bizarre Atmosphäre des Ortes in sich aufzunehmen. Alles wirkte hier illusionistisch. Die hellfarbenen Chips repräsentierten riesige Geldsummen, die auffällig gekleideten Männer und Frauen… verzweifelte Fassaden sexueller Herausforderung und eines vorgetäuschten, grenzenlosen und unbekümmerten Reichtums.
Jeff ging früh auf sein Zimmer zurück, schlief beim Ansehen der ›Jack Paar Show‹ ein. Als er am nächsten Morgen aufstand, entdeckte er Frank herumwandern im Wohnzimmer der Suite, vor sich hin murmelnd und wiederholt einen Satz behelfsmäßiger Diagramme konsultierend. »Kommst du mit mir frühstücken?« Frank schüttelte den Kopf. »Ich will die hier noch einmal durchsehen und vor Mittag an die Tische gehen. Die Dealer gegen Ende der Morgenschicht erwischen, wenn sie anfangen nachzulassen.«
»Klingt gut. Viel Glück; ich bin wahrscheinlich draußen am Pool. Sag mir Bescheid, wie’s läuft.«
Jeff aß allein an einem Tisch für sechs im Hotelrestaurant und las die Racing Form. Die Quoten für Chateaugay im Belmont Derby kletterten noch, nahm er zufrieden zur Kenntnis; aber keines der Dutzenden von anderen Rennen sagte ihm etwas. Er verschlang eine doppelte Portion Rühreier mit einer dicken Scheibe Landschinken, dann genehmigte er sich einen großen Stapel Pfannkuchen und ein drittes Glas Milch. In den letzten Jahren hatte er sich angewöhnt, das Frühstück ganz auszulassen, vielleicht ein Stück Dänischen Käse und die erste von vielen Tassen Kaffee auf dem Weg zur Arbeit zu sich zu nehmen; aber sein neuer, junger Körper hatte seine eigenen Gelüste.
Als Jeff ins Zimmer zurückkehrte, um seinen Badeanzug anzuziehen, war Frank zum Casino hinuntergegangen. Er schnappte sich ein überdimensionales Handtuch und ein Exemplar von V, machte am hoteleigenen Geschenkeladen halt, um sich eine Flasche Sonnenmilch zu kaufen (ohne aufgedruckten Lichtschutzfaktor, fiel ihm auf) und suchte sich einen Clubsessel neben dem Pool.
Er sah sie sofort: nasses schwarzes Haar, hohe Wangenknochen. Die Brüste groß, aber fest, flacher Bauch, die Beine elegant und wohlgeformt. Sie stemmte sich aus dem Pool, lächelnd und in der Wüstensonne leuchtend, und kam zu Jeff herüber.
»Hi«, sagte sie. »Ist dieser Stuhl noch frei?«
Jeff schüttelte den Kopf, lud sie mit einer Handbewegung ein, sich neben ihn zu setzen. Sie streckte sich auf dem Rücken aus, warf ihr tropfendes Haar zum Trocknen über die Rücklehne der leinenbezogenen Chaiselongue.
»Kann ich Ihnen etwas zu trinken bestellen?« fragte er, bemüht, seinen Blick nicht zu lange oder zu offensichtlich auf ihrem tropfenbesetzten Körper verweilen zu lassen.
»Nein, danke«, sagte sie, lächelte jedoch und sah ihn offen
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