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Grippe

Grippe

Titel: Grippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wayne Simmons.original
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Hoffnung gab, wenn auch die gelbe Plastikhaut und ein unhandlicher Sauerstofftank das Virus nicht aufzuhalten vermochten? Die mit der Zeit immer sporadischer auftretenden Anzugträger wollten bloß ein wenig unbeschwertes Geplänkel und gelegentlich eine Schulter zum Anlehnen. Dunkle Zeiten waren angebrochen, und alte Männer – Kriegshelden oder was auch immer Jackson und seine besoffenen Kumpanen für diese jungen Hüpfer waren – galten aufgrund ihrer Lebenserfahrung wieder etwas, allein schon weil sie Zeiten überdauert hatten, die unwirtlicher gewesen waren als die Hölle selbst.
    Schließlich kroch Jackson gegen den Rat der anderen Veteranen ans Tageslicht. Die Basis war verwüstet, es wimmelte vor Brandleichen und infizierten Soldaten, die wie beseitigte Müllsäcke herumlagen. Die meisten Helikopter hatte man gestohlen, vermutlich Deserteure, die die Piloten entweder bestochen oder bedroht hatten, damit sie sie ins Nirgendwo flogen. Wer dortgeblieben war und noch lebte, hatte sich mit Alkohol betäubt. Es kam zu unkontrollierten Gewaltausbrüchen, in deren Zuge man sich mit Waffen bedrohte, wozu meist kaum mehr als eine verlorene Partie irgendeines Kartenspiels den Anlass gab. Manch einer klammerte sich an religiöse Gegenstände, Ikonen, Kreuze oder Bibeln, um der neuen, zerrütteten Welt einen Sinn abzutrotzen. Die wenigen Soldaten, die noch vernunftmäßige Gebaren an den Tag legten, umringten Jackson wie eine Art Messias, blieben jedoch planlos, was die weitere Vorgehensweise anging. Sie erzählten ihm alles, was sie wussten, und das war nicht viel: Es sei am besten, die Leichen der Gestorbenen zu verbrennen, damit sie nicht aufstanden wie die anderen. Jackson wusste nicht, was sie meinten, bis er über die Mauer schaute und tote statt kranker Menschen sah, die gegen das Tor drängten, schnüffelnd herumgingen, geiferten und zuckten wie prähistorische Dämonen. Erst jetzt, da er sich der Tragweite der Katastrophe vollends bewusst wurde, dachte er an seine Tochter und Enkelkinder. Ob sie sich unter denen vor dem Tor aufhielten oder anderswo in einer ähnlichen Menge? Allerdings forderte der Alkohol seinen Tribut: Jackson war erschöpft, ausgelaugt und gefühllos. Er zeigte keine Emotionen mehr.
    Stundenlang beobachtete er sie von dem Wachhäuschen aus. Die Männer bedrängten ihn mit Fragen, was zu tun sei, er solle Befehle erteilen, doch er schüttelte nur den Kopf. »Tut, was immer ihr für richtig erachtet«, antwortete er ruhig. Sie gehorchten. Die Toten wurden erschossen, mit Granaten in die Luft gesprengt mit Benzin übergossen und angezündet, kehrten aber wieder – mehr und mehr jeden Tag, weil die Maßnahmen der Soldaten sie zur Basis lockten. Die Toten waren nicht zum Schweigen zu bringen und unaufhaltsam. Es schien zwecklos, sich ihnen auf welche Weise auch immer in den Weg zu stellen.
    Ein paar Tage später kamen zwei der Leute in Gelb in den Unterschlupf der Alten, bleich und am Ende ihrer Kräfte. Ihre Masken hatten sie ausgezogen, weil sie nicht mehr daran glaubten, dass sie sie schützten. Sie erstatteten den Offizieren Bericht, die ihr Versteck nicht verlassen hatten und größtenteils in den dunklen Winkeln des Stützpunktes wie verschreckte Greise herumlungerten; genau dies waren sie auch. Man ließ sie wissen, der überwiegende Teil der Menschen sei tot, und die Gesellschaft als solche bestünde nicht mehr. Die Vorräte waren knapp, was auch für den Whisky galt. Jackson nickte zur Bekräftigung und fügte an, er habe alles mit eigenen Augen gesehen. Die Offiziere, beziehungsweise der Teil, der sich nicht aus Verzweiflung dem Suff hingegeben hatte, stand vor der Wahl: Im Lager Mahon Road in Portadown hielt man noch die Stellung, und ein Mann wurde benötigt, um den ehemaligen Befehlshaber zu ersetzen, der sich anscheinend das Virus eingefangen hatte und gegenwärtig unter Quarantäne stand. An Benzin mangelte es nicht, weshalb sie zwei Mann im Auto hinschicken wollten, einen Hochrangigen mit Fahrer. Der Rest würde auf dem Luftweg nach London befördert, obwohl niemand einschätzen konnte, was dort los war. Man legte den Herren Für und Wider beider Möglichkeiten dar, doch außer Jackson bot sich niemand für den Posten in Portadown an. Nach London zog ihn nichts mehr; wer wusste schon, wie es dort aussah? Die Lage in der Mahon Road schien hingegen abwägbar. Als er noch aktiv gewesen war, hatte er dort gedient. Teilweise war er sogar neugierig darauf, was sich in all den Jahren

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