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Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Titel: Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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Schweigen bis zu den Toren des Palastes. Die vor den Mauern herrschende Unruhe war noch nicht auf die Stadt übergesprungen, und so trafen uns nur fragende Blicke.
    Die Zwillinge sprachen kein Wort, aber ich konnte ihre Wut spüren und verstand sie sehr gut. Ich hatte mich wie eine Idiotin benommen und konnte nur hoffen, dass die Wachen die Ordnung wiederstellen konnten, ohne dabei Gewalt anzuwenden.
    Doch hinter Panik und Reue keimte eine Idee in mir auf. Ich redete mir ein, dass sie unsinnig war, reines Wunschdenken, aber sie ließ mich nicht los.
    Nach der Ankunft im Kleinen Palast wollten die Zwillinge mich sofort in die Gemächer des Dunklen führen, aber ich weigerte mich.
    »Ich bin jetzt in Sicherheit«, sagte ich. »Und ich muss unbedingt etwas erledigen.«
    Sie bestanden darauf, mich zur Bibliothek zu begleiten.
    Es dauerte nicht lange, bis ich das Gesuchte fand. Immerhin war ich Kartenzeichnerin. Ich klemmte mir das Buch unter einen Arm und kehrte in mein Gemach zurück, gefolgt von meinen mürrischen Leibgardisten.
    Zu meiner Überraschung erwartete Maljen mich im Gemeinschaftszimmer. Er saß mit einem Glas Tee am Tisch.
    »Wo wart …«, setzte Maljen an, aber bevor ich mit einer Wimper zucken konnte, hatte Tolja ihn vom Stuhl gerissen und gegen die Wand genagelt.
    »Wo warst du ?«, fauchte er Maljen an.
    »Tolja!«, rief ich erschrocken und wollte seine Hand von Maljens Kehle lösen. Sein Griff war stahlhart. Hilfe suchend drehte ich mich nach Tamar um, aber sie stand reglos und mit vor der Brust verschränkten Armen da und schien ebenso erzürnt zu sein wie ihr Bruder.
    Maljen keuchte erstickt. Er hatte sich nach dem Kampf nicht umgezogen, war unrasiert und die Gerüche von Kwass und Blut hüllten ihn ein wie ein schmutziger Mantel.
    »Bei allen Heiligen, Tolja! Lässt du ihn bitte los?«
    Tolja schien ernsthaft zu erwägen, Maljen zu erwürgen, aber dann löste er seinen Griff und Maljen rutschte hustend und japsend auf den Boden.
    »Du hattest Dienst«, grollte Tolja und zeigte zornig auf Maljen. »Du hättest bei ihr sein müssen.«
    »Tut mir leid«, krächzte Maljen und rieb seinen Hals. »Ich bin wohl eingeschlafen. Ich hab die ganze Zeit …«
    »Du hast die ganze Zeit an der Flasche gehangen«, schäumte Tolja. »Glaubst du, das rieche ich nicht?«
    »Tut mir leid«, wiederholte Maljen zerknirscht.
    »Leid?« Tolja ballte die Fäuste. »Ich sollte dich in Stücke reißen.«
    »Du kannst ihn später vierteilen«, sagte ich. »Jetzt muss ich dich bitten, Nikolaj zu suchen und ihm mitzuteilen, dass er mich im Raum des Kriegsrats treffen soll. Vorher ziehe ich mich um.«
    Ich ging in mein Gemach und schloss die Türen hinter mir, versuchte mich zusammenzureißen. Ich wäre beinahe ums Leben gekommen und hätte fast einen Aufstand ausgelöst. Vielleicht konnte ich vor dem Frühstück noch etwas in Brand stecken.
    Ich wusch mein Gesicht und zog die Kefta an. Dann eilte ich in den Raum des Kriegsrats. Dort wartete Maljen schlaff auf einem Stuhl, obwohl ich ihn nicht dazugebeten hatte. Er hatte sich auch umgezogen, wirkte aber zerschlagen, und seine Augen waren noch gerötet. Nach dem letzten Kampf hatte er ein paar neue Schrammen im Gesicht. Als ich eintrat, sah er auf, sagte aber nichts. Würde ich ihn je anschauen können, ohne dass es mich schmerzte?
    Ich legte den Atlas auf den langen Tisch und ging dann zu der uralten Landkarte Rawkas, die die ganze Breite der hinteren Wand einnahm. Dies war die bei weitem älteste und schönste Karte im Raum des Kriegsrats. Ich zog die hohen Kämme des Sikurzoj-Gebirges, das Rawkas Südgrenze zu den Shu markierte, mit den Fingern nach und strich dann über seine westlichen Ausläufer. Das Tal von Dwa Stolba war zu unbedeutend, um auf der Karte aufzutauchen.
    »Hast du irgendwelche Erinnerungen?«, fragte ich Maljen, ohne ihn anzuschauen. »An die Zeit vor Keramzin?«
    Maljen war bei seiner Ankunft im Waisenhaus kaum älter gewesen als ich. Ich konnte mich noch an den Tag erinnern, als er eingetroffen war. Ich hatte gehört, dass ein weiterer Flüchtling kommen sollte, und auf eine Spielkameradin gehofft. Stattdessen stand da ein pummeliger, blauäugiger und kecker, ja aufmüpfiger Junge.
    »Nein.« Toljas Würgegriff schien für eine anhaltend raue Kehle gesorgt zu haben.
    »Gar keine?«
    »Ich habe oft von einer Frau mit langen, blonden, zu Zöpfen geflochtenen Haaren geträumt. Sie ließ ihre Zöpfe wie Spielzeuge vor meinem Gesicht baumeln.«
    »Deine

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