Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)
er ist möglicherweise immer noch mit dem Dunklen im Bunde.«
»Erst einmal müssten wir ihn finden«, bemerkte Paja.
Zoja winkte anmutig ab. »Warum sollten wir? Er scheint sich darauf versteift zu haben, das Wort der Sonnenkriegerin zu verkünden und sie als Heilige darzustellen. Höchste Zeit, dass das Volk den Grischa etwas mehr Wertschätzung entgegenbringt.«
»Nicht den Grischa«, sagte Pawel und reckte das Kinn abfällig in meine Richtung. »Sondern ihr.«
Zoja zuckte elegant mit einer Schulter. »Immer noch besser, als ständig als Hexe oder Verräter beschimpft zu werden.«
»Lassen wir den Zaren die Drecksarbeit machen«, sagte Fedjor. »Soll er den Asketen finden und hinrichten lassen und den Zorn des Volkes auf sich ziehen.«
Es irritierte mich, dass wir hier seelenruhig über die Ermordung eines Menschen diskutierten. Außerdem wusste ich nicht, ob ich den Tod des Asketen wirklich wollte. Der Priester musste sich zwar für so manches verantworten, aber ich bezweifelte, dass er immer noch gemeinsame Sache mit dem Dunklen machte. Außerdem hatte er mir die Istorii Sankt’ja geschenkt, was bedeutete, dass er vielleicht eine Informationsquelle war. Im Falle seiner Festnahme konnte ich nur hoffen, dass wir vor der Hinrichtung noch die Chance hätten, ihn zu verhören.
»Glaubt er das wirklich?«, fragte Zoja und sah mich forschend an. »Dass du eine von den Toten auferstandene Heilige bist? Was meinst du?«
»Ich weiß nicht, ob meine Meinung etwas zur Sache tut.«
»Es wäre durchaus hilfreich, wenn wir wüssten, wie verrückt er tatsächlich ist.«
»Lieber kämpfe ich gegen einen Verräter als gegen einen Fanatiker«, sagte Maljen leise. Er sprach zum ersten Mal. »Ich habe noch ein paar ehemalige Kameraden in der Ersten Armee. Wie man hört, desertieren Soldaten, um sich ihm anzuschließen. Wenn das stimmt, müssen sie doch wissen, wo er sich aufhält.«
Ich warf einen kurzen Blick auf Zoja. Sie betrachtete Maljen aus ihren unglaublich blauen Augen. Mir schien, als hätte sie ihm die ganze Zeit über schöne Augen gemacht. Aber das bildete ich mir vielleicht nur ein. Sie war eine mächtige Stürmerin und eine wichtige potenzielle Verbündete für mich. Aber sie war auch einer der Lieblinge des Dunklen gewesen, und ich wusste nicht, ob ich ihr vertrauen konnte.
Beinahe hätte ich laut gelacht. Was machte ich mir da vor? Ich hasste es ja sogar, in einem Raum mit ihr zu sein. Wenn jemand wie eine Heilige aussah, dann sie . Feingliedrig, glänzende schwarze Haare, makellose Haut. Fehlte nur noch ein Heiligenschein. Maljen schenkte ihr keine Beachtung, aber ein Rumoren in meinem Bauch sagte mir, dass er sie etwas zu bewusst ignorierte. Ich hatte natürlich größere Sorgen als Zoja – ich musste eine Armee führen und hatte überall Feinde –, konnte meine Eifersucht aber nicht ganz unterdrücken.
Ich holte Luft und versuchte mich zu konzentrieren, denn der heikelste Teil des Treffens stand noch bevor. Eigentlich hätte ich mich gern in eine dunkle, stille Ecke verkrochen, aber ich musste etwas Wichtiges ansprechen.
Nach einem langen Blick in die Runde sagte ich: »Ihr solltet euch darüber im Klaren sein, gegen wen wir antreten.«
Im Raum trat Stille ein. Als hätte eine Glocke geläutet, als wäre es zuvor nur um Kinkerlitzchen gegangen, als hätte die richtige Sitzung erst jetzt begonnen.
Ich legte der Reihe nach dar, was ich über die Nitschewo’ja wusste, ihre Kraft und ihre Größe, ihre fast vollständige Unverwundbarkeit, ob durch Klinge oder Kugel, und – dies vor allem – dass sie das Sonnenlicht nicht fürchteten.
»Aber du bist ihnen entkommen«, sagte Paja zögernd. »Das bedeutet, dass sie sterblich sind.«
»Ich kann sie durch meine Macht vernichten. Davon scheinen sie sich nicht mehr zu erholen. Aber es ist nicht leicht, denn ich muss den Schnitt führen, und ich weiß nicht, wie viele ich gleichzeitig bekämpfen kann.« Ich verschwieg den zweiten Kräftemehrer, zumal mir bewusst war, dass ich dem Ansturm einer ganzen Schattenarmee selbst mit seiner Hilfe nicht gewachsen wäre. Außerdem war das Schuppenarmband ein Geheimnis, das ich zunächst noch hüten wollte. »Wir sind nur davongekommen, weil Prinz Nikolaj uns aus der Reichweite des Dunklen bringen konnte«, fuhr ich fort. »Die Wesen können sich offenbar nicht allzu weit von ihrem Herrn entfernen.«
»Wie weit genau?«, fragte Pawel.
Ich sah zu Maljen.
»Schwer zu sagen«, antwortete er. »Eine Werst.
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