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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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einem Zelt gezerrt wurde.
    Â»Was machen wir mit ihm?«, wollte der Opritschnik von Iwan wissen.
    Â»Dieser Verräter geht zu Fuß«, antwortete Iwan. »Und wenn er schwächelt, sollen die Pferde ihn hinter sich herschleifen.«
    Ich wollte etwas einwenden, aber bevor ich ein Wort herausbringen konnte, sprach der Dunkle.
    Â»Nein«, sagte er und schwang sich elegant auf sein Pferd. »Er muss am Leben bleiben, bis wir die Schattenflur erreichen.«
    Der Opritschnik zuckte mit den Schultern. Dann half er Maljen auf ein Pferd und fesselte seine Hände an den Sattelknauf. Ich war erleichtert, aber dann bekam ich Angst. Wollte der Dunkle Maljen vor Gericht stellen? Oder hatte er etwas noch Schlimmeres mit ihm vor? Er lebt, dachte ich, und das bedeutet, dass er noch gerettet werden kann.
    Â»Reite neben ihr«, sagte der Dunkle zu Iwan. »Sorge dafür, dass sie keinen Unsinn macht.« Er warf mir einen kurzen Blick zu, dann spornte er sein Pferd zum Trab an.
    Wir ritten stundenlang durch den Wald. Als wir an dem Plateau vorbeikamen, wo Maljen und ich auf die Herde gewartet hatten, konnte ich in der Ferne die Felsen erkennen, in deren Schutz wir die Nacht verbracht hatten. Ich fragte mich, ob der Dunkle uns durch das Licht gefunden hatte, mit dem ich uns während der Nacht gewärmt hatte.
    Ich wusste, dass er nach Kribirsk wollte, und fragte mich besorgt, was mir dort bevorstand. Gegen wen würde sich der Dunkle zuerst wenden? Würde er eine Flotte von Sandskiffs nach Norden auf Fjerda schicken? Oder würde er nach Süden marschieren, um die Schattenflur ins Land der Shu-Han auszudehnen? Welcher Tode würde ich mich schuldig machen?
    Wir ritten weitere anderthalb Tage, bis wir schließlich jene breiten Straßen erreichten, die nach Süden zum Vy führten. An jeder Kreuzung stießen große Verbände Bewaffneter zu uns, die meisten im Grau der Opritschki. Sie brachten frische Pferde und die Kutsche des Dunklen. Iwan drückte mich ohne viel Federlesens auf die Samtpolster und setzte sich neben mich. Die Zügel knallten und dann waren wir wieder unterwegs.
    Iwan bestand darauf, die Vorhänge zu schließen, aber ich konnte einen kurzen Blick nach draußen werfen und sah, dass wir von schwer bewaffneten Reitern eskortiert wurden. Das erinnerte mich an die erste gemeinsame Fahrt mit Iwan in diesem Gefährt.
    Abends schlugen die Soldaten ein Lager auf, doch ich blieb in der Kutsche des Dunklen eingesperrt. Iwan brachte mir zu essen, obwohl es ihm missfiel, das Kindermädchen für mich zu spielen. Unterwegs sprach er kein einziges Wort, drohte aber, meinen Puls bis zur Ohnmacht zu verlangsamen, falls ich ihn weiter nach Maljen ausfragte. Ich erkundigte mich trotzdem jeden Tag und sah ständig durch den Spalt zwischen Vorhang und Fensterrahmen hinaus in der Hoffnung, einen Blick auf Maljen zu erhaschen.
    Ich schlief unruhig und träumte wiederholt von der stillen, verschneiten Lichtung und von dem Hirsch, der mich aus schwarzen Augen betrachtete. So wurde ich jede Nacht an mein Versagen erinnert, konnte nicht vergessen, was uns mein Mitleid eingebrockt hatte. Der Hirsch hatte trotzdem sterben müssen, und Maljen und ich waren verflucht. Wenn ich morgens aufwachte, erfüllten mich Schuld und Scham und außerdem das frustrierende Gefühl, dass ich etwas übersah, irgendeine Botschaft, die mir während des Traums klar und deutlich vor Augen gestanden hatte. Nach dem Erwachen aber war sie nicht mehr greifbar.
    Den Dunklen sah ich erst wieder, als wir die Außenbezirke von Kribirsk erreichten. Die Tür der Kutsche ging plötzlich auf und er ließ sich mir gegenüber nieder. Iwan stieg wortlos aus.
    Â»Wo ist Maljen?«, fragte ich, sobald die Tür sich geschlossen hatte.
    Ich konnte sehen, wie er im Handschuh die Faust ballte, aber seine Stimme war so kalt und gefasst wie immer. »Wir haben Kribirsk erreicht«, sagte er. »Wenn uns die anderen Grischa begrüßen, wirst du deinen kleinen Ausflug mit keinem Wort erwähnen.«
    Mir klappte die Kinnlade herunter. »Wissen sie es etwa nicht?«
    Â»Sie wissen nur, dass du dich zurückgezogen hast, um dich durch Ruhe und Gebete auf die Durchquerung der Schattenflur vorzubereiten.«
    Ich musste heiser lachen. »Ja, ich sehe sicher sehr ausgeruht aus.«
    Â»Ich werde ihnen erzählen, dass du gefastet hast.«
    Langsam begriff ich. »Darum haben die Soldaten in

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