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Grisham, John

Grisham, John

Titel: Grisham, John Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Anw
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Fehler machten sie trotzdem. Das
Wichtigste war, sagte er sich immer wieder, dass er so tat, als bemerkte er sie
nicht. Am besten spielte er den naiven, unbekümmerten Studenten, der mit seinem
Rucksack auf dem Campus herumspazierte und den Mädchen nachsah. Er hielt sich streng
an seinen Trott, nahm immer dieselben Wege, stellte sein Auto immer auf
denselben Parkplätzen ab. Er aß fast jeden Tag am selben Ort zu Mittag und ging
nach dem Unterricht fast immer in denselben Coffeeshop, wo er Olivia
gelegentlich traf. Er war entweder an der Uni oder zu Hause, und auf den Wegen
passierte auch nicht viel. Sein Verhalten blieb immer gleich und somit auch das
seiner Schatten. Und weil er so ein unkompliziertes Ziel war, wurden sie
nachlässig. Kyle mimte den Ahnungslosen, lullte sie ein, und sobald sie
schliefen, enttarnte er sie. Einen der Köpfe hatte er bereits dreimal gesehen,
ein junges, rosiges Gesicht mit unterschiedlichen Brillen, mal mit Schnurrbart,
mal ohne.
      
In einem Antiquariat nahe dem Campus kaufte Kyle alte Spionageromane für je
einen Dollar. Er nahm immer einen mit, den er im Rucksack bei sich trug, um
ihn, sobald er ihn gelesen hatte, an der Uni in den Müll zu werfen und einen
neuen zu kaufen.
      
Er ging davon aus, dass keines seiner Gespräche mehr vertraulich war. Sein
Mobiltelefon und sein Laptop waren mit Sicherheit angezapft. Ganz allmählich
erhöhte er die Anzahl seiner E-Mails an Joey Bernardo, Alan Strock und Baxter
Tate, wobei es sich ausschließlich um kurze Grußmails ohne substanziellen Inhalt
handelte.
      
Ebenso verfuhr er mit den anderen Beta-Brüdern, immer unter dem Vorwand, den
Kontakt aufrechterhalten zu wollen. Er rief jeden von ihnen einmal pro Woche
an, um über Sport, Studium und Karriere zu plaudern.
      
Falls Wright ihn tatsächlich belauschte, hörte er nicht ein verdächtiges Wort.
      
Kyle beschloss, dass er denken und handeln musste wie seine Gegner, wenn er die
nächsten sieben Jahre überleben wollte. Es gab einen Ausweg. Es musste einen
geben. Irgendwo.
    Bennie
Wright war wieder in der Stadt. Sie trafen sich am Samstag weit weg vom Campus
im Norden der Stadt in einem Orientimbiss auf ein Sandwich. Wright hatte
angekündigt, ab jetzt das Frühjahr hindurch alle zwei Wochen zu kommen, bis
Kyle im Mai sein Examen mache. Kyle hatte gefragt, warum das nötig sei. Wright
hatte etwas von "Kontakt halten" gefaselt.
      
Bei jedem der folgenden Treffen war Bennie Wright ein wenig weicher geworden.
Er war immer noch der aalglatte, knallharte Typ, der einen Auftrag auszuführen
hatte, aber er benahm sich plötzlich, als wollte er die Zeit, die sie
miteinander verbrachten, angenehmer gestalten. Schließlich säßen sie
stundenlang zusammen, sagte er, was bei Kyle nur Stirnrunzeln auslöste, denn er
hatte keinerlei Interesse an höflichem Geplauder. "Irgendwelche Pläne für
die Ferien?", fragte Bennie Wright, während sie ihre Sandwiches
auspackten.
    "Lernen",
erwiderte Kyle. Die Ferien hatten am Vortag begonnen, und halb Yale war
irgendwo in Südflorida, um Party zu machen. "Na na. Ihre letzten
Collegeferien, und Sie sind nicht am Strand dabei?"
    "Nein.
Ich bin nächste Woche in New York und sehe mich nach einer Wohnung um."
    "Da
können wir behilflich sein", sagte Wright überrascht. "Das haben wir
schon besprochen, Mr Wright. Ich brauche Ihre Hilfe nicht."
    Beide
nahmen einen großen Bissen und kauten schweigend.
    Schließlich
fragte Kyle: "Gibt's was Neues in Bezug auf die Klage?"
    Ein
schnelles, verneinendes Kopfschütteln. Nichts.
    "Ist
sie denn inzwischen eingereicht?", hakte Kyle nach. "Warum erzählen
Sie mir nichts darüber?"
     
Wright räusperte sich und trank einen Schluck Wasser. "Nächste Woche.
Treffen wir uns nächste Woche in New York, wenn Sie dort sind. Dann weihe ich
Sie in den Fall ein."
    "Ich
kann es kaum erwarten."
    Wieder
ein Riesenbissen und schweigendes Kauen.
    "Wann
machen Sie Ihre Anwaltsprüfung?", fragte Bennie
    Wright.
    "Im
Juli."
    "Wo?"
    "New
York, irgendwo in Manhattan. Ich freue mich nicht besonders darauf."
    "Sie
werden's gut hinkriegen. Wann bekommen Sie die Ergebnisse?"
     
Bennie Wright wusste genau, wann und wo die Prüfung in New York stattfinden
würde. Er wusste auch, wann die Ergebnisse ins Netz gestellt wurden. Und er
wusste, was passierte, wenn man diese Prüfung vermasselte. Er wusste alles.
"Anfang November. Haben Sie eigentlich Jura studiert?" Ein Lächeln,
fast ein Schmunzeln. Ich habe Anwälte nach Möglichkeit immer

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