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Grisham, John

Grisham, John

Titel: Grisham, John Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Anw
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Pershing hatte die Gebühr für Kyle und
die anderen neuen Mitarbeiter übernommen.
      
Der Druck war schon spürbar, als Kyle den Hörsaal zum ersten Mal betrat, und
ließ auch später nicht nach. Am dritten Tag saß er mit ein paar Freunden aus
Yale zusammen, und sie gründeten eine Lerngruppe, die sich jeden Nachmittag
traf und oft bis in die Nacht hinein arbeitete. In den drei Jahren an der
Universität hatten sie den Tag gefürchtet, an dem sie in die unergründlichen
Weiten des Bundessteuerrechts oder die Bleiwüste des Handelsgesetzbuches
zurückkehren mussten. Jetzt war es so weit. Die Anwaltsprüfung verlangte
ausnahmslos alles von ihnen.
     
Scully & Pershing verzieh wie die meisten anderen Kanzleien eine verpatzte
Prüfung, nicht aber zwei. Zweimal verhauen, und man war aus dem Rennen. Ein
paar von den strengeren Kanzleien erlaubten nicht einmal einen Patzer, eine
Handvoll liberalere nahmen dagegen sogar zwei hin, wenn der Kandidat ansonsten
erfolgversprechend wirkte. Nichtsdestotrotz war die Angst vor dem Versagen
allgegenwärtig, bis hinein in den oft schwer zu findenden Schlaf.
      
Kyle fing an, lange Spaziergänge durch die Stadt zu machen, zu allen Tages- und
Nachtzeiten, um die Monotonie des Lernens zu unterbrechen und den Kopf
freizubekommen. Die Spaziergänge waren aufschlussreich und zum Teil
faszinierend. Er lernte die Straßen der Stadt kennen, U-Bahn und Bussystem, die
Regeln des Fußgängerverkehrs. Er wusste, welcher Coffeeshop nachts durchgehend
geöffnet hatte und in welcher Bäckerei man morgens um fünf ofenwarme Baguettes
bekam. Er entdeckte einen wunderbaren alten Buchladen in Greenwich Village und
fing wieder an, seiner neu erwachten, aber unstillbaren Leidenschaft für
Spionageromane zu frönen.
    Nach
drei Wochen fand er endlich eine passende Wohnung.
    Er
saß bei Tagesanbruch in einem Coffeeshop in der Seventh Avenue in Chelsea,
trank einen doppelten Espresso und las die Times, da sah er durch das Fenster,
wie gegenüber zwei Männer ein Sofa aus einer Haustür schleppten. Die Männer
wirkten nicht wie Profispediteure und zeigten wenig Geduld mit dem Möbel.
Schwungvoll warfen sie es in einen Transporter und verschwanden dann wieder
durch die Tür. Ein paar Minuten später kamen sie mit einem wuchtigen
Ledersessel zurück, mit dem sie ebenso verführen. Offensichtlich hatten sie es
eilig, und dieser Umzug schien nicht eben ein glücklicher zu sein. Die
Eingangstür befand sich neben einem Bioladen. Im zweiten Stock verriet ein
Schild in einem Fenster, dass die Wohnung unterzuvermieten sei. Ohne zu
überlegen, überquerte Kyle die Straße, sprach einen der Männer an und folgte
ihm nach oben, um sich die Wohnung anzusehen. Sie war eine von vieren im
zweiten Stock, hatte drei kleine Zimmer und eine schmale Küche. Im Gespräch mit
dem Mann, Steve Soundso, erfuhr er, dass Steve selbst der Mieter war, aber in
aller Eile die Stadt verlassen musste. Sie einigten sich per Handschlag auf
eine Monatsmiete von zweitausendfünfhundert Dollar und eine Mietdauer von acht
Monaten. Noch am selben Nachmittag trafen sie sich zu Vertragsunterzeichnung
und Schlüsselübergabe erneut in der Wohnung.
     
Kyle bedankte sich bei Charles und Charles, packte seine Habseligkeiten in den
Jeep und fuhr die zwanzig Minuten stadtauswärts zur Ecke Seventh Avenue und
West Twenty-sixth. Sein erster Kauf war ein gebrauchtes Bett samt Nachttisch
vom Flohmarkt, sein zweiter ein 15-Zo11-Flachbildschirmfernseher. Es bestand
keine Notwendigkeit, die Wohnung zu möblieren oder individuell zu gestalten.
Kyle bezweifelte, dass er länger als acht Monate bleiben würde, und Gäste würde
er mit Sicherheit nicht haben. Für den Anfang war es genau das Richtige, und
später würde er etwas Besseres finden.
     
Ehe er nach West Virginia aufbrach, präparierte er sorgfaltig ein paar Fallen.
Er nahm braunes Nähgarn und schnitt es in zehn Zentimeter lange Stücke, die er
mit einem Tupfer Vaseline am Fuß von drei Innentüren befestigte. Von oben
konnte man den Faden auf den eichenfarbenen Türblättern praktisch nicht sehen,
aber wenn jemand hereinkam und die Türen öffnete, würde das Spuren
hinterlassen. An einer Wand im Wohnzimmer hatte er Bücher, Schreibblöcke und
Ordner aufeinandergestapelt, zumeist belangloses Zeug, von dem er sich aber
nicht trennen konnte. Die Sachen waren willkürlich zusammengestellt, doch Kyle
sortierte sie nach einer ganz bestimmten Ordnung, die er anschließend mit einer
Digitalkamera

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