Grisham, John
Kündigung ein. Er würde mit Freuden Bennie Wright zur Hölle
schicken und sich in irgendeinem Gericht in Pittsburgh Elaine und ihrer
Vergewaltigungsklage stellen. Alles war besser als das, was er hier zu ertragen
hatte.
Er hatte diesen Tag nur überstanden, weil er unablässig wie ein Mantra für sich
wiederholt hatte: "Dafür zahlen sie mir zweihunderttausend Dollar im
Jahr."
Doch um 17.30 Uhr meldete sein FirmFone surrend eine E-Mail von Doug Peckham:
"Kyle, brauche Hilfe. In mein Büro. Möglichst sofort."
Er vergaß die Kündigung, sprang auf die Füße und schoss zur Tür. Zu Dale sagte
er im Vorübergehen: "Muss zu Doug Peckham, Partner in der
Prozessabteilung. Hat ein Projekt für mich." Falls das grausam klang, dann
war es eben so. Falls es angeberisch klang, war es ihm auch egal. Sie sah
erschrocken und gekränkt aus, aber er ließ sie trotzdem einfach sitzen,
mutterseelenallein im Placid-Verlies. Er rannte die bei den Stockwerke abwärts
und trat außer Atem durch Peckhams offene Tür. Der Partner stand, zappelig und
nervös, das Telefon am Ohr. Er winkte Kyle zu einem edlen Ledersessel gegenüber
seinem Schreibtisch. Nachdem er mit dem Satz "Sie sind ein Vollidiot,
Slade, ein echter Vollidiot" aufgelegt hatte, sah er Kyle an, zwang sich
zu einem Lächeln und sagte: "Und? Wie läuft es bislang?"
"Aktenstudium."
Mehr musste nicht gesagt werden.
"Das
tut mir leid, aber da mussten wir alle durch. Hören Sie, ich brauche hier eine
helfende Hand. Sind Sie dabei?" Peckharn ließ sich auf seinen Stuhl fallen
und fing an zu schaukeln, ohne den Blick von Kyle zu nehmen.
"Was
immer Sie wollen. Im Augenblick würde ich Ihnen sogar die Schuhe putzen."
"Kein
Bedarf. Es geht um einen Fall hier im südlichen Bezirk von New York, einen
großen. Wir vertreten Barx Biomed in einer Gruppenklage von Leuten, die
Herzwurmpillen genommen haben und daran abgekratzt sind. Großer, schmutziger,
komplizierter Fall, der in mehreren Staaten wütet. Donnerstagmorgen stehen wir
vor Richter Cafferty. Kennen Sie ihn?"
Ich bin erst seit zwei Tagen hier, hätte Kyle beinahe ausgestoßen, ich kenne
niemanden. "Nein."
"Koffein-Cafferty.
In seinem Hirn herrscht irgendein chemisches Ungleichgewicht, das ihn Tag und
Nacht auf den Beinen hält. Wenn er keine Medikamente nimmt, brüllt er die
Anwälte am Telefon zusammen, weil es ihm mit den Verfahren nicht schnell genug
geht. Wenn er Medikamente nimmt, brüllt er auch, benutzt aber weniger
Schimpfwörter. Jedenfalls nennt man ihn wegen seines straff durchgezogenen
Terminplans auch >Terminator<. Ein guter Richter, aber ein echter
Kotzbrocken. Dieser Fall zieht sich schon etwas länger hin, und jetzt droht er,
ihn an einen anderen Gerichtsbezirk zu verweisen."
Kyle kritzelte auf seinem Block mit, so schnell es ging. In die erste
Sprechpause hinein fragte er: "Herzwurm?"
"Also,
eigentlich ist das ein Medikament, das Ablagerungen in den Hauptblutgefäßen
beseitigt, einschließlich der rechten und linken Ventrikel. Medizinisch
betrachtet, ist es ziemlich komplex und nichts, worüber Sie sich Gedanken
machen müssen. Wir haben zwei Partner, die Mediziner sind und sich mit diesem
Aspekt des Falls befassen. Insgesamt sind vier Partner dran, dazu zehn weitere
Kollegen. Ich leite die ganze Sache." Das sagte er mit einer gehörigen
Portion Selbstgefälligkeit. Dann sprang er auf die Füße und ging schwerfällig
zum Fenster, um einen kurzen Blick auf die Stadt zu werfen. Sein gestärktes
weißes Hemd war ziemlich weit und verbarg seinen unförmigen Körper.
Bennie Wrights Resümee war wie immer knapp und prägnant gewesen. Peckhams erste
Ehe zerbrach, dreizehn Monate nachdem er als Yale-Absolvent zu Scully &
Pershing gekommen war. Seine jetzige Frau war Anwältin und Partnerin einer
Kanzlei ganz in der Nähe. Auch sie arbeitete lang und viel. Es gab zwei kleine
Kinder. Ihre Wohnung auf der Upper West Side wurde auf 3,5 Millionen Dollar
geschätzt, und natürlich besaßen sie auch das obligatorische Haus in den
Hamptons. Letztes Jahr hatte Doug 1,3 Millionen Dollar verdient, seine Frau 1,2
Millionen. Er galt als Topprozessanwalt, der sich auf die Verteidigung großer
Pharmaunternehmen spezialisiert hatte, wobei er selten selbst bei Gericht
erschien. Sechs Jahre zuvor hatte er einen größeren Fall um ein Schmerzmittel
verloren, das zu Selbstmord führen konnte, zumindest hatten das die
Geschworenen so gesehen. Scully & Pershing hatten ihn anschließend für
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