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Grisham, John

Grisham, John

Titel: Grisham, John Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Anw
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geschickt worden, um ebenfalls Frondienst zu leisten. Alle
drei liebäugelten mit der Kündigung. Dale indessen schien aufrichtig entzückt,
jemanden zu kennen, der mit einer echten Aufgabe betraut war.
     "Heb
mir ein paar Placid-Akten auf", sagte Kyle, als sie die Cafeteria
verließen. "Morgen bin ich wieder da."
     
Am Mittwoch verließ er die Bibliothek um Mitternacht, nachdem er für Barx
achtzehn Stunden aufgeschrieben hatte. Am Tag zuvor waren es sechs gewesen. Am
Donnerstagmorgen kamen zwei hinzu, in denen er den fünfzehnseitigen
Aktenvermerk redigierte und seine zehnminütige Präsentation vor Peckharn und
den älteren Kollegen übte. Um exakt 7.30 Uhr stand er vor der Tür des Partners.
Sie war geschlossen.
    "Mr
Peckham erwartet mich um 7.30 Uhr", sagte er höflich zu einer Sekretärin.
    "Ich
werde ihm mitteilen, dass Sie da sind", erwiderte sie, ohne allerdings zum
Hörer zu greifen.
     
Fünf Minuten vergingen, in denen Kyle versuchte, seine Nerven zu beruhigen und
Gelassenheit zur Schau zu stellen. Er verspürte Magengrummeln und schwitzte am
Hals. Warum?, fragte er sich immer wieder. Das ist nur eine kleine Präsentation
vor einem wohlgesinnten Publikum. Schließlich gehören wir zum selben Team,
oder? Zehn Minuten vergingen, schließlich fünfzehn. Er hörte Stimmen in
Peckhams Büro. Dann wurde die Tür von einem der Kollegen geöffnet, und Kyle
trat ein.
     
Peckham schien überrascht, ihn zu sehen. "Ach Gott, Kyle, Sie hab ich ja
ganz vergessen", sagte er und schnippte stirnrunzelnd mit den Fingern.
"Hätte eine Mail schicken sollen. Der Termin ist verschoben worden. Sie
sind noch mal davongekommen. Behalten Sie die Aktennotiz. Vielleicht brauche
ich sie später noch."
     
Kyle klappte der Mund auf, und er blickte sich um. Zwei der Kollegen saßen an
einem kleinen Arbeitstisch, der über und über mit Unterlagen bedeckt war, zwei
weitere am Schreibtisch. Alle wirkten belustigt.
    Der
Pseudotermin.
    Natürlich
hatte Kyle von solchen kleinen Streichen gehört.
    Der
arglose Neue wird zu Höchstleistungen angetrieben, um einen nutzlosen
Aktenvermerk oder einen Schriftsatz zu verfertigen, der angeblich unglaublich
dringend ist, dann aber nie verwendet wird. Trotzdem wird der Mandant dafür zur
Kasse gebeten. Selbst wenn die Recherche also inhaltlich überflüssig war, hat
sie sich wenigstens finanziell gelohnt.
      
Obwohl Kyle von den Pseudoterminen wusste, hatte er nicht damit gerechnet.
"Äh, ja, kein Problem", sagte er, schon im Rückzug begriffen.
     "Danke",
erwiderte Peckham, während er die Seiten irgendeiner anderen Akte
durchblätterte. "Bis später."
    "Okay."
    Kyle
war bereits an der Tür, als Peckham fragte: "Was meinen Sie, Kyle, wo
sollte Barx am besten vor Gericht gehen?"
    "Nebraska,
Fillmore County", antwortete Kyle eifrig.
      
Zwei der Kollegen lachten laut auf, auch die anderen zeigten sich höchst
amüsiert. Einer sagte: "Nebraska? Niemand führt
    Prozesse
in Nebraska."
     "Danke,
Kyle", sagte Peckham gönnerhaft. "Gute Arbeit." Und jetzt sieh
zu, dass du verschwindest.
      
Bei zweihunderttausend Dollar pro Jahr plus Vergünstigungen musste es in diesem
Job Momente der Demütigung geben. Du wirst dafür bezahlt, sagte sich Kyle immer
wieder, während er langsam die Treppen hochstieg. Nimm's gelassen. Sei stark.
Kann jedem mal passieren.
      
Zurück im Verlies, zwang er sich zu einem Lächeln. Als Dale fragte, wie es
gelaufen sei, antwortete er: "Schwer zu sagen." Am anderen Ende des
Raumes wühlten sich zwei Mitgefangene durch Hypothekenakten. Kyle nickte ihnen
zu und ließ sich dann neben Dale nieder, um Stift, Notizbuch und FirmFone
zurechtzulegen. Er öffnete einen Karton, nahm eine Akte heraus und versenkte
sich wieder in die Welt von Placid Mortgage. Das war vertrautes Terrain, und er
fühlte sich seltsam wohl dabei. Hier drohten weder Gefahr noch Demütigung. Sich
bis zur Rente mit dem Aktenstudium zu beschäftigen wäre mit Sicherheit öde und
langweilig, aber gewiss nicht so nervenaufreibend wie das Leben eines
Prozessanwalts.
     
    Kapitel
17
        
  Als Kyle das Büro am Freitagabend verließ, bewertete er seine erste
Woche als erfolgreich, wenn auch ereignislos. Er hatte für Placid Mortgage
dreißig Stunden und für Barx Biomed sechsundzwanzig Stunden aufgeschrieben, und
auch wenn am Ende praktisch keine dieser Stunden großen Wert für die Mandanten
haben würde, so wurde er schließlich nicht dafür bezahlt, sich deswegen
Gedanken zu machen. Er war vor allem

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