Grisham, John
ging an einer Sports Bar vorbei, in der auf breiten
Bildschirmen alte Footballspiele liefen. Die Quoten der Sportwetten für das
Wochenende wurden angezeigt. Die Bar war leer.
Was würde wohl Dr. Boone dazu sagen? Seit seiner
"Wiedereingliederung" waren keine sechs Stunden vergangen, und er saß
schon wieder an einer Theke. Ganz ruhig, Dr. Boone. Es ist nur Wasser. Wenn ich
hier am Ground Zero standhaft bleibe, wird es das nächste Mal ganz einfach
sein. Baxter trank Wasser und warf gelegentlich einen Blick auf die Reihen von
Alkoholflaschen. Warum gab es so viele verschiedene Formen und Größen? So viele
unterschiedliche Spirituosen? Eine Reihe bestand nur aus Wodkasorten mit
Fruchtgeschmack, ein ausgesprochen leckeres Gesöff, das er früher, als er noch
Alkoholiker gewesen war, literweise in sich hinein gekippt hatte.
Gott
sei Dank war das jetzt vorbei.
Irgendwo zwischen den Spielautomaten schrillten Sirenen und Alarmglocken. Ein
Spieler hatte Glück gehabt und einen Jackpot geknackt, und der Radau diente
lediglich dazu, alle anderen wissen zu lassen, wie einfach das war. Der
Barkeeper zapfte ein Glas Bier und knallte es vor Baxter auf die Theke.
"Das geht aufs Haus!", verkündete er. "Super-Jackpot!"
Kostenlose Getränke für alle, die an der Bar saßen, also nur Baxter. Um ein
Haar hätte er gesagt: "Nehmen Sie das weg, ich trinke nicht mehr."
Doch der Barkeeper war schon wieder verschwunden, und außerdem würde es
ziemlich dumm klingen. Wie viele Abstinenzler setzten sich um drei Uhr
nachmittags an die Bar eines Casinos?
Das Glas war beschlagen, das Bier eiskalt. Es sah sehr dunkel aus, und Baxter
warf einen Blick auf den Zapfhahn. Nevada Pale Ale. Diese Biersorte kannte er
gar nicht. Sein Mund war trocken, daher trank er einen Schluck Wasser.
Einhundertfünf Tage lang war ihm von Dr. Boone und den anderen Profis in der Washoe-
Klinik eingehämmert worden zu glauben, dass ihn ein einziger Drink wieder
abhängig machen würde. Er hatte genau beobachtet, wie sich die anderen
Patienten - oder Gäste, wie sie genannt wurden - durch ihren Entzug quälten,
und zugehört, wenn sie Geschichten darüber erzählten, dass sie immer wieder
rückfällig geworden waren. Mach dir nichts vor, hatten sie immer wieder
gewarnt, du verträgst keinen einzigen Drink. Du darfst keinen Tropfen Alkohol
trinken.
Vielleicht
war es ja tatsächlich so.
Auf dem Glas bildeten sich kleine Bläschen, die langsam nach unten rannen, bis
zu der Serviette darunter.
Er war fünfundzwanzig Jahre alt und hatte selbst in seinen optimistischsten
Momenten in Washoe eigentlich nie daran geglaubt, dass er für den Rest seines
Lebens keinen Alkohol mehr trinken würde. Irgendwo tief in seinem Innern wusste
er, dass er so willensstark war, ein Glas - oder auch mehr als eins - zu
trinken und aufzuhören, bevor er die Kontrolle über sich verlor. Wenn er
sowieso vorhatte zu trinken, auf was wartete er dann noch? Das letzte Mal hatte
er sich vierzehn Tage lang gequält, bevor er nachgegeben hatte. Zwei Wochen
lang hatte er sich selbst und vor allem seine Freunde angelogen und so getan,
als würde er es toll finden, nüchtern zu sein, obwohl er sich die ganze Zeit
über nach einem Drink gesehnt hatte. Warum sollte er sich so etwas noch einmal
antun?
Das
Bier wurde langsam warm.
Er hörte die Stimmen seiner Therapeuten. Er musste an die tränenreichen
Geständnisse der anderen Gäste denken. Er hörte sich selbst, wie er das
Evangelium der Nüchternen verkündete - "Ich bin Alkoholiker, ich bin
schwach und hilflos und brauche den Beistand einer höheren Macht".
Diese
Versager in der Washoe- Klinik waren tatsächlich schwach.
Baxter
nicht. Er konnte mit ein paar Drinks umgehen, weil er stärker war als sie. Er
schwor sich, dass er nie, unter keinen Umständen, der Versuchung erliegen und
Kokain nehmen würde. Und er würde auch keine harten Sachen trinken. Nur ein
bisschen Bier, gelegentlich, und einen Weinkeller würde er sich vielleicht auch
zulegen.
Das
war alles kein Problem für ihn.
Trotzdem brachte er es nicht fertig, die Hand auszustrecken und das Glas zu
berühren. Es stand fünfundvierzig Zentimeter von ihm entfernt, genau in
Reichweite, wie eine zusammengerollte Klapperschlange, die gleich zubeißen
würde. Dann kam ihm das Bier plötzlich wie eine Art Belohnung vor, die für ein
angenehmes Gefühl sorgte. Hin und her, hin und her. Das Böse gegen das Gute.
"Sie
müssen sich neue Freunde suchen", hatte Dr.
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