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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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dunkelblaue Himmelsgewölbe und versilberte den jungfräulichen Schnee der Wolkengebirge. Die Sterne tauchten in verschiedenen Gruppen auf und Nebelschlangen stiegen von der Stromseite her wie aus geheimnißvollen Abgründen empor, als hätten sie sich nur vor dem Auge des Tages versteckt gehalten.
    Indem er den balsamischen Hauch der Nacht in tiefen Zügen einsog, fühlte Krastinik den Nerv der Erinnerung zuckend berührt. Er fühlte sich über Meer und Land fortgerissen in die heimathlichen Karpathen, wo ihn so oft noch reinerer Nächte Odem erfrischt.
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    Er dachte an das Panorama der amphitheatralischen Waldberge, mit den röthlichen Felsblöcken und dem Ahorngebüsch, röther bemalt vom Abendroth; mit den gelben Rinnen, welche reißende Wasser zurückgelassen, auf den dunkelblauen schluchtzerrissnen Bergzinnen. Die Silberfäden der Bergbäche verweben sich zu einem Schleier mit den bläulichen Dunstwölkchen um des Berges Kuppe – gemahnend an den Schleier um Jehovas Haupt, so er mit Erdgeborenen auf seinem Sinai redet. O dort an rauhem Abend die Pässe zu durchstreifen, bis der Nachtfrost, von der Aluta aufqualmend, die Mähne des Rosses erstarren macht!
    Und nun, wie von inneren Ampeln erleuchtet, röthet sich der Berge Dom. Schon hat der Sonnengott um die goldne Rüstung sein Purpurgewand geschlungen und der Goldzaum der Sonnenrosse, deren freurige Strahlenmähne den Himmel durchwogte und deren Nüster die Mittagsgluth versendete, ist lässig seiner Hand entfallen. Jetzt faltet er die Scharlachbanner seines goldfransigen Zeltes ein und die Lichtpfeile, die er vom Bogen des Horizontes nach allen Richtungen versendet, kehren von selbst, wie des Indianers Wurfgeschoß, in seine Hand zurück, die den Köcher der Dämmerung bereit hält. Jetzt erröthet die Braut seines Bogens, die lächende Erde, unter seinem flammenden Abschiedskuß. Sein leuchtender Fuß gleitet, einen schmalen Lichtstreifen hinfurchend, über den Kamm der Höhen, um jählings in den Schluchten zu verschwinden, deren strömedurstigen Schlund das greise Berghaupt wie einen Pokal an den kalten Schneemund setzt. – –
    Welch ein Gemälde!
    Ueberm düstern Buchenberg starrt die schroffe Spitze des Schuller, wie von Geisterhänden aus gefrorenem Schnee geballt. In hundertgrätiger Zerklüftung dehnt sich der furchtbare Königsstein. In der Mitte aber baut sich in gewaltiger Herrlichkeit das Riesengestein des Butschetsch empor, über weiten Geviertraum seine steinernen Wurzeln breitend und zum ungeheuren Gebirgsstock sich thürmend in breiter Masse. Mit seinen tiefen Schneerinnen im dunkeln Gneis der Gebirgsschicht und mit der rundgewölbten Firn, scheint er ein Zauberdom mit silberner Kuppel und silbernen Säulenthoren, aus schwarzem Marmorrumpfe gefügt. In der weiteren Ferne aber zieht sich in erhabenem Umriß die Kette der Fogarascher Alpen, über denen erst rosig und glühendroth, dann schwefelgelb und violett die Sonne allmählich verglimmt.
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    Ja, dort oben in der Stille einsamer Berge fällt alles Kleinliche, Unfreie von der Seele ab, wie morsche Lumpen. Verjüngt und neugeboren, steht der Mensch dem All gegenüber. – Was sollte er hier, in dem Parfüm-Brodem des High Life? Eine reiche Parthie ergattern? Seine hochmüthig vornehme Natur empfand plötzlich einen Ekel an diesem ganzen nichtigen Treiben. Ein Dichter wollte er werden. Nun, das konnte ihm nur gelingen, wenn er sich rein badete von allem Wust und Schmutz des Alltäglichen – nicht hier, eingeklemmt im Pferch der Heerde. Wo hatten die großen englischen Dichter des Jahrhunderts, Scott und Byron, ihre Poesie gefunden? Droben auf den schottischen Haiden, wo Burns und Ossian erstanden. Dorthin zog es ihn wie mit magischer Gewalt. Ihm war, als ob ein Stern über seinem Haupte stehe, der ihn zu dem Betlehem der Dichtung geleiten wolle.
    Als er die Treppe seiner Wohnung hinanstieg, hatte er bereits seinen Entschluß gefaßt. Solche plötzlichen unvorhergesehenen Entschließungen waren ihm von Jugend an eigenthümlich, fast ein Bedürfniß gewesen.
    Schon am andern Morgen packte er, ging zu dem Tiket Office der Dampferlinie nach Granton-Leith, erfuhr, daß gerade diesen Abend ein Steamer abfahre, und löste ein Retourbillet mit vierwöchentlicher Gültigkeit. Dann

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