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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Insulaner-Egoismus und dem Triebe zum brutalen Hochmuth in dieser Race beruht. Bornirte Bigotterie in jeder Beziehung ist der Stützpfeiler dieses Systems, das um so schwerer zu erschüttern ist, als der Britte genau in demselben Maße treu, zähfesthaltend und schwerfällig, als der Franzose brüderlich, flüchtig und gewandt. Durch dieses Grundgebrechen wird jedoch der Charakter des Engländers vergiftet. Denn der Heuchler dient nicht nur dem Geist der Lüge, sondern selbstgerechter Pharisäismus wird lieblos und inhuman auf den Zöllner herabblicken. Ursprünglich von aufrichtiger Liebe für die Wahrheit beseelt, läßt er dieselbe ungehört verhallen, sobald seine pharisäische Selbstanbetung durch sie verletzt wird.
    Neben dem jugendlichen Größenwahn des Franzosen und dem verhärteten greisenhaften Dünkel des Engländers leidet nun der Deutsche vielfach an hündischer Demuth und Fremdthümelei. Dazu hat er wenig Grund.
    Man prahlt so häufig mit dem, was man nicht ist und nicht hat, nicht mit dem, was man ist und hat. Möge der Deutsche doch endlich aufhören, seine fragwürdige Tugend herauszustreichen und sich lieber – statt grade hier bewundernd nach dem Ausland zu schielen – seiner superioren Begabung bewußt werden, die ihm in Künsten, Wissenschaften und Gewerken, in Krieg und Frieden stets eine überwältigende Fülle von Talenten verschaffte wie keine andere Nation sie aufzuweisen hat!
    So wird man ihm die zwei großen Güter für den Kampf ums Dasein, Klugheit und Fleiß , in hervorragendem Maße nachrühmen müssen. Daß diese Arbeitskraft, Ausdauer und Ueberlegung, nichtsdestoweniger die, aus lauter solchen Einzelkräften bestehende, große deutsche Nation erst durch bittere Not und eisernen Zwang zu einer klugen und standhaften Politik bewegen konnten, während doch diese Eigenschaften sie zu einem politischen Volk in erster Linie stempeln, – das hat der Deutsche einzig seinem mangelhaften Charakter zuzuschreiben. Neid, Mißgunst, Unfähigkeit zur Begeisterung, Gleichgültigkeit gegen ideale Interessen ( alle deutschen Dichter und Denker von Wolfram von Eschenbach bis auf Richard Wagner wissen davon ein Lied zu singen), Pedanterie und Philistrosität, Knechtssinn, verbunden mit mißvergnügtem Fortschrittsgezänk – das sind kleine und kleinliche Laster, für die man gern die phraseologische Verlogenheit und Leichtfertigkeit der Franzosen und die Brutalität der Briten eintauschen möchte. Es mangelt dem Deutschen vor allem das wahre männliche Selbstvertrauen und dies mußte erst wieder durch das stramme Preußenthum geweckt werden. »Wenn Sie übrigens bedenken, daß Sie Preußen sind, so habe ich nichts mehr hinzuzufügen« – diese großen Worte des großen Friedrich vor der Schlacht bei Leuthen bilden einen Wendepunkt der deutschen Geschichte.
     
    Leonhart verbeugte sich und verschwand. Die Versammlung der Zuhörer summte und brummte beim Aufbruch durcheinander. Ein Offizier schnarrte laut: »Eine solche Frechheit!« und ein alter Herr, der wie ein Gymnasialprofessor aussah, schnob majestätisch: »Muß wegen schlechten Betragens an den Ofen gestellt werden.«
    Der allgemeinen Volksstimme aber, welche bekanntlich Gottes Stimme ist, lieh
Dr.
Drechsler-Cannibalis monumentalen Ausdruck, indem er laut mit ausgestreckter Rechten brüllte: »Ein solcher Größenwahn ist reif fürs Irrenhaus!«
     

II.
     
    Krastinik und Leonhart gingen in Friedenau spazieren. Sie hatten mitsammen einen Ausflug gemacht, um einen dort wohnenden Antisemiten zu besuchen, da sich Krastinik lebhaft für diese Bewegung interessirte. Freilich hinderte ihn das nicht, mit den jüdischen Redactionen persönlich auf bestem Fuße zu verkehren. Von einem Grafen läßt man sich ja viel gefallen.
    Darauf spielte Leonhart an, indem er ironisch äußerte: »Ach Gott, der Antisemitismus des Adels! Da ärgert sich Baron v. Habeiuchts, daß Itzigs Madera und Maitresse feiner als die seinen, und gnä' Fröl'n Adelheid v. Schwindelheim kriegt die Gelbsucht, weil Kalle Mosessohn kann fahren mit Gummiräder.«
    »Das sagen Sie , Verehrtester, und gelten doch für einen fanatischen Antisemiten?«
    »Wieso ich zu dieser Ehre kam, blieb mir schleierhaft. Mag ich gelten, wofür man will! Man lasse die Leute schwatzen! Ich habe Ihnen schon oft gesagt, daß ich in dem gang und gäben Sinne kein Antisemit bin, sondern nur so, wie alle lebenden Deutschen es sind und ein guter Bruchtheil der anständigen Juden dazu. Ich bewundere den

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