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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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wahrer Republikaner. Während er mit dem einen Auge der Monarchie droht, blinzelt er liebäugelnd mit dem andern Auge nach ihr hin. Mit der Keckheit eines Prätorianerobersten gedachte Dumouriez die Orleans gegen den Convent auszuspielen. Wer weiß, ob nicht Aehnliches Boulanger vorschwebt! Da ihm der Einfluß im ›Senate‹ mangelt, so gedenkt er wie Cäsar das Heer zu seinem Werkzeuge zu machen. Die Legionäre Cäsars aber waren eben – Cäsarianer, privilegirte Räuber; die Soldaten des Dumouriez aber waren Bürgersoldaten, denen blinder Soldatengehorsam fremd, und jener Lysander der großen Revolution wurde alsbald von der Bühne verjagt. Der Convent nannte ihn den ›großen Verräther.‹ Ob Boulanger ein ähnliches Loos zu fürchten hat? Nun, er hat kein Jemappes in seiner Vergangenheit; dafür hat er den Ruhmestag am Lyoner Bahnhof und die Flucht vor dem Gesindel seiner Anbeter auf einer Lokomotive. Der Radau-General, der ›St. Arnaud der Tingeltangel‹! Ein klassisches Sinnbild für den Reklame- und Strebergeist unsrer Epoche! Lachen muß ich nur, wenn die Zeitungen durch ihr Schimpfen solch' gefährliche Elemente unschädlich zu machen denken. Heutzutage bläht man durch jede Art von Oeffentlichkeit die Leute auf. Man beschuldige und ›vernichte‹ die Leute kräftig mit Druckerschwärze – das ist der Weg, um ihren Namen aller Welt geläufig zu machen. Man muß sehr talentlos oder energielos sein, um auf solcher Schimpf-Basis nicht ein Piedestal für sich zu erbauen.«
    »Sehr richtig!« rief der finstre Volksredacteur mit dem Christuskopf. »Uns hat das Socialistengesetz und der Belagerungszustand groß gemacht. Das Schimpfen und Verfolgen zeigt doch immer Furcht.«
    Aus dieser Anknüpfung entspann sich alsbald naturgemäß eine socialpolitische Debatte, während die Mamsells sämmtliche Flaschen unterdessen ausbecherten, über den Associationsstaat. Da hatte Jeder sein Steckenpferd. Der jüdinnenfreundliche Antisemit bestand vor allem auf freier Liebe und Aufhebung des Erbrechts. Schmoller bezeugte eine besondere Wuth gegen das Privatkapital und der düstere Redacteur plaidirte für das Genossenschaftswesen als Monopol. Leonhart ließ den Wortschwall eine Weile über sich ergehen, dann aber hielt es ihn nicht länger und sprach: »Meine Herrn! Die socialistische Doctrin entstammt dem Schädel überspannter Ideologen, welche sich im Mantel des naturwissenschaftlichen Materialismus drapiren, um die wahren Materialisten, die rohen Pöbelmenschen, über ihr Wesen zu täuschen. Der Socialismus ist in sich die baare blanke Unmöglichkeit. Denn erstens müßten, um ihn durchzuführen, die Bedingungen der Naturgesetze umgestoßen und eine gewaltsame Herabschraubung und Nivellirung aller Einzelkräfte auf ein Durchschnittsmaß ermöglicht werden. Sie werden mir nun versichern, das socialdemokratische Drillzuchthaus werde der naturgemäßen Aristokratie des Geistes gebührend Rechnung tragen und dieselbe als Beamtenthum der großen Staatsfabrik, als patentirte Erfinder und Ingenieure verwenden. Allein, wie lange würde es dauern und die souveraine Arbeitermasse, willenlos thierischen Instinkten folgend, würde diese geistige Control-Aristokratie mit demselben Haß empfinden, wie die frühere Geld- und Geburtstagsaristokratie. Ja, die Möglichkeit ist für den Psychologen nicht ausgeschlossen, anbetracht der vollständig sinnlichen und äußerlichen Auffassung der Durchschnittsmasse, daß die Geistesaristokratie nicht einmal den Respekt bei dem gemeinen Mann erzwingen würde, den er jetzt mürrisch dem Geld und Titel entgegenbringt. – Andrerseits aber würde höchst wahrscheinlich diese Beamtenaristokratie selbst ihr Loos bald unzulänglich finden und ein höheres Uebergewicht, ihrem Werth gemäß, dem Handarbeiter gegenüber beanspruchen, als der socialdemokratische Staat ihnen nothwendig zugestehen kann. – Wie will sich nun dieser Staat vor all den Unzufriedenen schützen? Ah, an Gewalt wird es ja nicht fehlen, vor scharfen Mitteln werden die großen Robespierres des Socialismus nicht zurückschrecken – man wird die Staatsgewalt schon aufrecht erhalten, nicht wahr? Nämlich womit? Natürlich mit bewaffneter Hand, mit einer kräftigen Jakobiner-Leibgarde der socialistischen Heiligen. Sieh da, und darum habt ihr dem Militarismus den Garaus gemacht? O ihr Thoren! Was für ein Unterschied zwischen den alten und neuen Garden?
    Meiner festen Ueberzeugung nach macht die Mehrzahl der socialistischen

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