Größenwahn
Gebieter,
Welchen mehr, als uns, sie hat verlassen!
Warum willst Du, ihres Leichnams Hüter,
Deiner Jugend Mark in Gram verprassen?
Dreier Tage Lauf ist Dir verstrichen,
Speis und Trank versagend Deinem Munde –
Bleich wie sie, die Dir und uns verblichen,
Stierst Du starr und schweigend in die Runde.
Wartest, ruhend neben ihrer Leiche,
Kalt wie sie durch Dein erbittert Härmen,
Ob Dein warmer Odem wohl sich schleiche
In die Adern ihr, das Blut zu wärmen.
Doch genug! Erhebe Dich, Kalife!
Wenn der Liebe Freuden auch geschlossen,
Ist Dir's nicht, als wenn Drommete riefe
Oder Schnauben von beherzten Rossen?
Und Dein Reich, Kalif, es ruft Dich strenge,
Daß den Scepter fremde Hand nicht fasse!
Ferne hör' ich tausendstimmige Menge,
Feindestritte hör' ich nahn, erblasse!
Nein, erröthe in gerechtem Zorne!
Laß die Todten und das Leben wähle,
Daß an unstillbarer Sehnsucht Dorne
Nicht verblute Deine starke Seele!
Also hätte ja auch Sie gesprochen,
Wenn der Feinde Schaaren Dich umdrohten!
An dem Feinde sei ihr Tod gerochen:
So gedenk', o so gedenk' der Todten!
Rafael Haubitz.
Aus dem Morast der Sansara.
Jüngst im Traum durch Kaschmirs Hain
Schritt ich hin auf weichem Rasen,
Wo Jungfrauen, selbst ein Kranz,
Rosen sich zum Kranze lasen.
Und ich wollte lechzend schon
Meine Auges Gluth versenken
In den Blick der schönsten Frau,
Sinn und Seele, all mein Denken.
Wollte an mein fiebernd Herz
Ihren weißen Busen pressen
Und in wilder Liebeslust
Zeit und Ewigkeit vergessen.
Ich erwachte. Nacht um mich.
Einsam war ich und verlassen.
Todte Nacht, nur einzeln schlich
Noch ein Schwärmer durch die Gassen.
Wie unschuldsrein sind Deiner Lippen Rosen,
Wie jugendfrisch und rosig Deine Wangen,
Wie weiblich sanft Dein schmeichlerisches Kosen!
Doch tief im Herzen wohnen giftige Schlangen.
Längst ward es ein Morast, in dem versunken
Ein jedes reinre Fühlen, schmutz-getödtet.
Dort wohnt das Irrlicht nur und finstre Unken.
War diese weiße Stirn je schamgeröthet?
War früher je Dein Herz ein Friedensweiher,
In dem sich spiegelte der Stern der Reinheit?
Die Taube Weiblichkeit, hat sie der Reiher
Der Noth verscheucht vom Sumpfe der Gemeinheit?
Ach, überm giftgen Abgrund fliegt die Taube
Verzweifelt hin und wieder in der Herde
Der Fledermäuse, flügel-lahm ihr Glaube
Und fern die Hoffnung auf die Heimatherde.
Sie winkt am Sumpfessaum, ein grüner Anger –
Umsonst! Nachtfalter schwirren dicht und dichter,
Die Taube stürzt sich, flatternd bang und banger,
Betäubt hinab, ihr eigener Vernichter.
Doch bist Du eine Taube, süße Schlange?
Warst Du es je? Du plätschertest mit Wonne
Im heimathlichen Kothe wohl schon lange –
Du mit dem reinen Antlitz der Madonne!
Denn keinen Flecken ließ das Schmutz-Geträufel
Auf Deinen holden Zügen. Zu der Katzen
Geschlecht gehörst Du, Engel halb, halb Teufel.
Wie möchten Deine Tatzen mich zerkratzen!
Doch sehnsuchtsvoll singst Du Sirenen-stimmig,
Als sehne sich Dein Herz nach reinerm Fühlen.
Folgt' ich Dir aber, würdest Du mir grimmig
Das Herz zerreißen, um damit zu spielen.
Gleich wie mit zartem Pfötchen sich ein Kätzchen
Ein Mäuslein fängt als Spielzeug – wie possirlich!
So würdest Du mich Stück für Stück, mein Schätzchen,
Zerfleischen – doch wie zierlich und manierlich!
Du echtes Weib! Das Weib schon eine Sphinx ist,
Liebe im Auge, Wollust in den Adern.
Und wer im Bann des Liebeszauberrings ist,
Soll mit der Fee, die ihn behext, nicht hadern.
Sie übt nur ihr Metier, wer will drob schmälen?
Und das, mein Kindchen, euch am meisten kitzelt,
Selbst wenn ihr wiederliebt, die Lieb' zu quälen.
Das Mündchen seinen eignen Kuß bewitzelt.
Denn wenn auch wahre Leidenschaft euch schmeichelt
Und ihr sie sucht und anfacht, so verlogen
Ist die Kokette, daß sie Kälte heuchelt,
Bis es zu spät ist und der Traum verflogen.
Mein flammend Herz das ist ein Tabernakel,
Zu Weihrauch dort verbrennen Deine Mängel:
Aus dieser Gluth, abschmelzend allen Makel,
Ein Phönix, neuverjüngt, rein wie ein Engel,
Wirst Du entsteigen, die Du aus dem Schlamme,
Wie Venus aus dem Meere stieg, entstiegen
Mit keuscher Anmuth. Meiner Liebe Flamme
Soll zu dem Scheine noch die Wahrheit fügen.
Denn wer versteht unschuldig noch zu scheinen,
Wer äußerlich den schönen Schein bewahrte,
Wird innerlich, daß es nur Schein, beweinen.
Und, wenn sich wahre Liebe
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