Größenwahn
Molch.
Caesar Borgia ermordet seinen Bruder.
Des Mondes Strahl sich mischt dem ersten Morgenglimmern.
In seinem Silberlicht wie eisgepanzert flimmern
Die Felsen. Sickernd rauscht hier durch den Felsentrichter
Das Wasser, wirbelnd sich im Kreis, ein Selbstvernichter.
Doch wie gereinigt und geklärt vom Felsensieb,
In welchem Schaum und Tang unlauter hängen blieb,
Die Fluth dann klar und rein zum Tiber niederlief.
Sie zimmert sich ein Bett im Passe hohl und tief.
Hier würde jedes Boot, wo so vernichtungstoll
Der Schaum in wildem Satz zum Abgrund niederschwoll,
Wie vom Gebiß und Schlund des Nilpferds jäh zermalmt.
Dort zog im Mondenschein, vom Wasserstaub umqualmt,
Ein Reiter, schwarz vermummt, sein Haupt gesenkt, verdeckt.
Und vorn am Sattel hing ein Mantel, drin versteckt
Ein Etwas, das er schnell nun in den Strudel warf,
Auflesend Steine noch am Strand und zielend scharf
Nach jener Bürde, die noch manchmal aus dem Fluß
Auftauchte – – jetzt der Leib wohl meerwärts rollen muß.
Doch glaubet nicht, daß ich die Borgias verdamme!
In den Retorten, wo ihr Höllengift gebraut,
Hat sichtbarlich geglüht der Weltenseele Flamme.
Wer Darwins Lehre je mit festem Blick durchschaut,
Der ehrt im Geier, der herabstößt auf die Beute,
In dem unschuldigen Reh wie in der rohen Meute
Denselben Kampfinstinkt rastloser Lebenstriebe.
Gleichwerth sind durchaus dem Menschen Haß und Liebe.
Zwischen zwei Polen liegt die wahre Weltbetrachtung:
Willensverneinung und entschlossene Weltverachtung,
Leben in der Idee, – oder die ungezähmte
Willensentfesselung, die brünstig nie beschämte
Weltlustanbetung. Ach, den Durst sie nimmer stillt,
Wie nur mit wüstem Rausch Salzwassertrunk erfüllt
Die dürstenden Matrosen, beim Sturm im Boot verschlagen,
Bis cannibalisch sie sich hungernd selbst benagen.
»Nein, das geht nun und nimmer an!« brach Feichseler los. »Ist denn das noch Poesie? Das ist gereimte Prosa. Wer das drucken lassen kann, ist kein Lyriker und auch kein Vollblutdichter. Das ist ein Mensch, der rastlos mit dem Verstande arbeitet!«
Unter allgemeinem Beifallsgemurmel ließ sich da wiederum Krastiniks Stimme vernehmen: »Ich bin andrer Ansicht, Herr Doktor. Mir ist diese gereimte Prosa lieber, als ganze Fuder Gelbveigelein-Lyrik. Auch glaube ich gar nicht, daß Leonhart ein Lyriker sein will. Solche historische Hieroglyphen wie diese kritzelt er so nebenbei tagebuchartig aufs Papier, wie ein Andrer seine Einnahmen und Ausgaben bucht. Er will damit gar nicht künstlerisch wirken, sondern schleudert nur so wie die Natur überflüssige Schlacken von sich ab, wie die Lawine aufs Schneefeld stürzt, um im Abgrund zu verdonnern.«
»Er blendet Sie, mein lieber Herr Graf,« trumpfte Wurmb mit sauersüßer Miene ab. Der naseweise Lämmerschreyer aber meinte gewichtig: »Ein Sänger der Freiheit und der Noth des vierten Standes wie Anno Buchsbaum steht mir viel höher.«
»Ach, dieser Brave!« lachte Krastinik auf. »Dieser undankbare Streber! Da hab' ich nun zufällig bei Leonhart allerlei Dinge Schwarz auf Weiß gesehn. Schreibt dieser Mensch ein vernichtendes Schmähgedicht auf den Ghaselendichter X. und richtet nachher an diesen einflußreichen Würdegreis einen demüthigen Abbittebrief, worin er in ergreifenden Worten um Entschuldigung bat und schmerzlich beklagte, daß Herr Leonhart sich erfrecht habe, das Gedicht später bei einem Ausfall auf X. zu citiren, um seiner eigenen Gehässigkeit eine Würde dadurch zu geben!! Diese bodenlose Unverschämtheit, verbunden mit Feigheit und Perfidie, richtet sich selbst und möchte ich überhaupt meine Hände über diese jugendliche Clique in Unschuld waschen.«
»Zu welcher Clique doch Leonhart selbst gehört,« fiel Feichseler ein. »Ach, Holbach, haben Sie endlich eingesehn, was eigentlich an diesen Kerls daran ist, sammt Ihrem Freund Leonhart?«
»Leider ja! Ich überzeuge mich mehr und mehr!« gestand Holbach mit einem tiefgefühlten Seufzer.
Die Adern auf Krastiniks breiter Stirn schwollen bedenklich. »Wovon überzeugen Sie sich?« fragte er scharf. »Wenn Sie sich einen Duz- und Busenfreund Leonharts nennen und denselben, wie Sie mir schon mehrmals sagten, so oft gegen seine Feinde vertheidigen, so sollten Sie doch am besten wissen, daß Leonhart jede nähere Gemeinschaft mit dieser Rotte ablehnt.«
»Hm, Sie gehn denn doch etwas stark für meinen Freund Federigo ins Zeug. Er ist ja ein bedeutender Mensch –
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