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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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durchgeführt.
    Er beschloß, ruhig sein Kreuz auf sich zu nehmen, das Kommende abwartend.
    Das Einbohren in bestimmte Schmerzen, krankhaft in Ursache und Wirkung, wird wesentlich durch die Umstände und die Verhältnisse von Nerven und Magen hervorgerufen. Nach Tische, nach einem tüchtigen Spaziergang dürfte es einem gesunden Organismus schwerfallen, sich weltschmerzlichen und galligen Träumereien hinzugeben. Es sieht sich Alles verschieden an, mit leerem, oder mit vollem Magen.
    Eduard war fest davon überzeugt, daß ihm aus alledem die furchtbarsten Folgen erwachsen würden. Er schwebte in einer gewissen unbestimmten Angst vor irgend etwas Peinlichem oder Verderblichem, das ihn treffen sollte.
    Unaufhörlich stürmte er mit großen Schritten im Zimmer auf und ab, bis ihm die Wadenadern schwollen und er sich müde aufs Sopha werfen mußte, indem er düstere Gedanken hin- und herwälzte.
    Er sollte Spießruthen der Lächerlichkeit laufen; sein Name kam an die Oeffentlichkeit in komischem Sinne; sein wahnsinniger Heirathsantrag wurde ruchbar: sein naturalistisches Mal-Prinzip wurde dem Spottepreis gegeben, seine vielen Feinde warteten ja nur darauf. So zermarterte er sein Hirn und schädigte seine Gesundheit, statt kalt und gelassen dem Kommenden ins Auge zu blicken. Allerdings kam ihm stets der Schlußgedanke zu statten, mit dem er seine Befürchtungen besänftigte. Mit unerschütterlichem Stolze wollte er der Welt Trotz bieten. Und auch ihr, wenn sie ihn verrieth. Der ganze Hochmuth des Künstlers brach sich wieder Bahn in ihm. Was konnte ihn treffen, welcher boshafte oder zürnende Blick ihm seine Ruhe rauben, welche Beschämung ihm das Blut in die Wangen treiben, – ihm, der als Künstler eine exceptionelle, Lebensauffassung besaß, welche alle kleinlichen Rücksichten der gewöhnlichen Gesellschaftsmoral und Respektabilität weit unter sich sah! Den Kopf konnte es ja nicht kosten!
    So wogt es in der Seele auf und ab. Was noch eben furchtbar drohend erschien, so lange draußen der Wind pfiff und Nervenermattung im Hirne Grillen erzeugte, erscheint im nächsten gefahrlos und gleichgültig. Ein gewisser unverzagter Trotz allen Gefahren und Unannehmlichkeiten gegenüber, verbunden mit vorhergehender doppelter Aufregung durch Phantasie-Vergrößerung des Drohenden, ist ein Merkmal bedeutender Geister. So sah der General Bonaparte seine Lage oft verzweifelter an, als seine Unterfeldherrn – aber trat die Gefahr nun wirklich nahe, so war er der Einzige, der sie abzuwenden wußte.
    Seine Unvorsichtigkeit peinigte ihn scharf genug, indem sein Argwohn sich überall von Spähern umzingelt wähnte, die seine schwachen Seiten belauerten. Es scheint ein trauriges Erbtheil ungewöhnlicher Menschen, daß sie ohne direkt eitel zu sein, doch stets wähnen, die Welt interessire sich selbst aus Bosheit für ihre Person und erspähe daher ihre Schwächen. Aber die Welt kennt ihre eigenen kleinen Lächerlichkeiten und faßt den bedeutenden Menschen gar nicht als so exceptionell auf, wie er sich selber. Sie lacht daher über seine Thorheiten, wie sie über die eines beliebigen Andern lachen würde, so daß der Hauptstachel fortfällt: Sie mißt seine Thorheit gar nicht nach dem Maßstab seiner geistigen Bedeutung . Und wie leicht vergißt die Welt das Gute wie das Böse!
    Ein eigentümlicher Spleen ergriff ihn. Alles Wissen, Lernen und Können schien ihm nutzlos. Er verfluchte jede Minute, die er an ein Buch vergeudet, jede Arbeit, die nicht aus direkten Erwerb und Erfolg in der Welt hinauslief. Eine lächerliche Sucht machte sich in ihm geltend, die Gedanken rastlos auf nächstliegende Ziele zu concentriren und jedes Umherschweifen derselben abzuweisen. Er vergaß nur darüber, daß jede Meditation ein Ausruhen und Entlasten des Gehirns bedeutet und daher der Gedankenthätigkeit nutzt, und daß überhaupt jede noch so fernliegende Gedankenreihe irgend eine Vorstellung heraufbeschwört, die sich an ein näherliegendes Ziel werthvoll anknüpfen läßt.
    Jetzt aber, als die alte römische Lampe seines Ateliers ihr freundliches Licht um ihn her verbreitete und er, die schweren arabischen Vorhänge vor Fenster und Thüren niederlassend, fern allem Lärm in stiller Beschaulichkeit vor seiner Staffelei saß, durchdrang eine eigenthümliche wohlige Wärme sein Seelenleben. Wie ein instinktiver Blitzstrahl der Erkenntniß, fühlte er die große Wahrheit, daß all die hunderttausend Ueberflüssigkeiten, Nichtigkeiten, Unannehmlichkeiten,

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