Grolar (German Edition)
Wahnsinn getrieben, wenn seine Freundin die Blicke jedes Mannes auf sich gezogen hätte.
Hier war sie die letzten Wochen eine willkommene optische Abwechslung gewesen. Darüber hinaus war Kelly eine Träumerin, eine Highschool-Abbrecherin, ohne Abschluss, und sie kiffte schon morgens.
Warum auch nicht, dachte er manchmal, immerhin musste sie nicht arbeiten. Für die Männer kam das nur abends infrage, und jeder hielt sich daran. Außer vielleicht Andy in der Mittagspause, wenn er sich zu ihr in den Wohnaufsatz des Pick-ups gesellte. Solange er nach ihrem Schäferstündchen funktionierte, motzte Ray nicht. Und seine weichen Knie nach einer halben Stunde mit ihr könnten genauso bei der Arbeit stören wie ihr geteilter Stick.
Gerade rauchte sie eine Zigarette und zog hohlwangig daran, mit der anderen Hand kratzte sie sich an ihrem blondierten Hinterkopf, wodurch ihn die tätowierte Sonnenblume auf der Innenseite ihres Oberarms anstrahlte.
Jon stellte sie gespielt steif seinem Sohn vor, als würde es sich bei ihnen um alten Hochadel handeln, »Kelly, das ist Cliff, Cliff, das ist Kelly.«
Weil sein Sohn sie nicht eines Blickes würdigte, sagte sie, »Schau mal einer an, er ignoriert mich. Noch.«
Wenn sie sprach, bewegten sich die Lederbändchen an ihrem Hals.
»Tja«, machte Jon.
»Der kommt wohl nach der Mama, zumindest innerlich«, sie verlagerte ihr Gewicht auf das andere Bein. Sie trug ihren Bluejeans Minirock über bunten Leggings in schwarzen Gummistiefeln. Die Leggings gegen die Moskitos. In den ersten paar Tagen hatte sie sich an ihren nackten Beinen rasch ein paar Dutzend Stiche geholt.
Er atmete schwer aus.
»Wo ist sie?«, fragte Kelly.
»Tara?«
»Wenn deine Frau so heißt?«
»Im Trailer.«
»Geschockt, wette ich.«
Er zuckte mit den Schultern.
»Soll ich mal klopfen?«
Jon wusste, dass die beiden nie Freundinnen werden würden, aber schaden könnte es auch nicht mehr, »Klar, tu das.«
»Tara, ich komme, bye-bye Cliff, bye-bye Daddy von Cliff.«
Ihre schmalen Finger mit den lila Nägeln kitzelten die Luft zwischen ihnen, und sie federte zum Wohnwagen, wobei sie bei jedem Schritt auf ihre Haltungsnoten achtete. Sie wusste, er würde ihr nachschauen. Jeder würde ihr nachschauen.
Der Wind trug die Stimmen der anderen vom Clean Out zu ihm. Er wischte sich über die Stirn und hockte sich neben seinen Sohn, »Ich bin mal eben da hinten, du bleibst schön hier, ja?«
Eine Ameise krabbelte über das Führerhaus des Baggers.
»Ja«, sagte Cliff, ohne sich ablenken zu lassen.
Wie gerne wäre Jon selbst noch einmal so ... ja, was eigentlich?
Er strich seinem Sohn über den Rücken und stand auf.
Tara hörte das Klopfen an der Tür. Sie reagierte nicht.
Kurz darauf wurde ein zweites Mal geklopft.
Soviel zum Thema ‚Alleine sein', dachte sie und rappelte sich genervt hoch. Vielleicht auch besser so, besser nicht weiter über alles nachdenken. Bei jedem Schritt knarrte der Boden unter ihr, obwohl der Teppich dick war und vor Dreck stand.
Sie öffnete die Tür mit einem, »Ja?«
»Hi Tara! Ich bin Kelly! Willkommen in Las Vegas!«
Vor ihr stand ein junges Ding, das in einem Trailerpark aufgewachsen sein musste. Tara versteckte nicht einmal ihren abschätzenden Blick. Tanktop, Mini, lächerliche Leggings und alte Gummistiefel! Die Kleine gehörte hierhin, diese Kelly war das Material, was hierhin gehörte, sie selbst nicht, sie nicht und Cliff nicht.
»Hi.«
»Darf ich reinkommen? Nicht, dass ich nicht ohnehin wüsste, wie es hier drin aussehen würde, ups, nein, kleiner Scherz, dein Süßer ist dir treu, und ich ja auch, also was ist?«
Tara taumelte einige Schritte zurück, als stünde sie auf einem Schiff bei schwerem Seegang. Sie musste sich festhalten und beobachtete Kelly, als handelte es sich bei ihr um eine Spezies, die sie gerade erst entdeckt hatte. Sie war sprachlos.
»Schätze, wir Zwei sind und bleiben die einzigen Ischen im Camp.«
Ischen? Den Ausdruck hatte Tara schon eine ganze Weile nicht mehr gehört. Zehn Jahre mochte das her sein, zwanzig Jahre. Wer weiß, wo Kelly ursprünglich herkam. Sprach man da heute noch so?
»Etwas dagegen, wenn ich es mir gemütlich mache?«
Während sie fragte, schlüpfte sie aus den zu großen
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