Grolar (German Edition)
Vergiss nicht, wir teilen durch einen weniger.«
»Fuck, stimmt, stimmt ja. Fuck.«
Auch daran hatte der Alte schon gedacht. Eiskalt.
»Ja, Junge. Wir warten jetzt erst mal ab, was Marten und Jon im Wald finden. Ob sie etwas finden. Und wenn sie etwas finden, was.«
Nicht dass Andy stets gesetzesgetreu gelebt hatte – wegen Drogenbesitz und Diebstahl wurde er zweimal erwischt – aber das Verschweigen eines gestorbenen Kollegen ging ihm zu weit. Daher wollte er diesen Fall einfach noch einmal durchspielen.
»Angenommen wir finden Dick. Tot. Und wir melden das offiziell. Was dann?«
»Scheiße dann.«
»Was dann?«
»Was dann? Ich sag dir ‚Was dann'. Dann kommen die Ranger und Ärzte und Wer-weiß-noch und alles steht still hier, für mehrere Tage, vielleicht eine Woche lang, wegen der Untersuchungen. Sie machen sich breit hier, schnüffeln herum, stellen Fragen, was wir gefunden haben, wie viel, das wird offiziell, es spricht sich herum, weil denen das egal ist, ob das jeder weiß oder nicht, Journalisten, das Fernsehen, und dann taucht das Gesocks hier auf. Die Steuerhaie wissen Bescheid, der Pächter weiß, was los ist, nichts mit nur zehn Prozent des gefundenen Goldes offiziell angeben und von der Summe anteilsmäßig Steuer und Pacht zahlen und 90 Prozent schwarz einstecken und langsam über zehn Jahre aufbrauchen, nichts davon. Scheiße.«
Andy lockerte den Griff um die Browning, seine Hand schwitzte, der Griff war warm. Hoffentlich knickte sein Kreislauf nicht gerade jetzt unter der Anspannung und ohne Gras ein.
Ray fuhr fort, »Stell dir mal vor, seine Verletzungen sind nicht eindeutig, dann geraten wir noch in Verdacht, ein Rattenschwanz.«
»Wir? Meinst du?«
»Ja, ja! Hier geht es um Gold, viel Gold, es wurden schon Leute für weniger ungebraucht, das wissen die.«
Andy wischte sich den Schweiß von der Stirn, »Und die andere Möglichkeit?«
»Junge, das würde mir persönlich auch schwerfallen, aber ich meine, versteh mich nicht falsch, das ist dann das Beste für jeden. Und er hat niemanden, keine Freundin, keine Familie, niemanden, der auf ihn wartet. Seine Eltern hat er nie angerufen, wenn er noch welche hat«, er blickte Andy ernst an, »und sollten wir ihn finden, könnten wir ihn richtig begraben, im Wald. Das ist das Wenigste, was wir tun können.«
»Mann«, er blickte über den See zum anderen Ufer.
»Tja.«
Was nun passierte, überraschte Andy selbst. In rasanter Abfolge sah er vor seinem geistigen Augen die Bilder, wie Ray Dick in der vergangenen Nacht abgeschlachtet hat, mit einem Beil, damit es für alle wie ein Bärenangriff aussieht, sie dann gemeinsam den Ärmsten verbuddeln, und in einer Woche widerfährt das gleiche dem Nächsten aus ihrer Gruppe, bis ans Ende des Sommers, und nur Killer Ray bleibt übrig, mit all dem Gold, 1.000.000 Dollar.
»Was denkst du?«, fragte Ray.
»Ich bin mir einfach nicht sicher.«
»Was ist es?«
»Dick verscharren, wie einen Hund.«
»Du kannst ja noch ein Gebet sprechen vorher.«
Vielleicht steckten Marten und er unter einer Decke, und am Ende würden sie teilen, wer weiß, was Marten mit Jon vorhat im Wald? Hatte Ray nicht die Hand bewegt, als sie die Streichhölzer gezogen hatten? Nur ein wenig, ein Rucken, so dass er das lange zieht? Damit sie beide jetzt hier stehen würden? Die anderen beiden allein im Wald ... sollte Jon etwas passieren, würde er die beiden abknallen, ohne Fragen zu stellen.
»So ist das Leben manchmal«, sagte Ray, »du bist noch jung.«
Vergiss es, dachte er, das ist nur das THC in meinem Blut. Viel zu viel Fantasie.
Aber wenn doch etwas dran war? Er würde von nun an ein Auge auf Ray werfen.
»Junge, alles, was zählt, steht da!«
Sie schauten gemeinsam zur Goldwaschanlage: der Rüttler mit dem Radlader davor, die Schaufel in den Himmel gereckt, wie eine Gabe an die Götter, die Sonne von einem Punkt im Dreck der Schaufel reflektiert in sein Gesicht, in ihre Gesichter, das erkannte Andy, weil auch Ray den Kopf leicht vorrückte.
»Siehst du, was ich sehe?«, fragte Ray.
»Das Blinken?«
»Das Blinken.«
»Kann das eine Scherbe sein, Glas?«
»Kann«, er spuckte das kurze Streichholz aus, »kann aber auch nicht. Kann auch was anderes, etwas viel Schöneres sein!«
Durch das Fenster
Weitere Kostenlose Bücher