Grolar (German Edition)
der Reißverschluss von Martens offener Arbeitsjacke schlug bei jedem Schritt gegen seine Gürtelschnalle. Die beiden mussten sich nicht absprechen, nebeneinander marschierten sie über den Platz zu dem Explorer.
Dort angekommen fragte Marten, »Wo ist das Blut?«
Jon wusste nicht, wann Ray oder Andy ihm davon erzählt hatte, »Gleich an der hinteren Stoßstange und am Boden, alles voll.«
Marten hockte sich hinter die Heckklappe und musterte den Boden, wobei er die Spritzer scheinbar stumm zählte, denn seine Lippen bewegten sich. Er drehte sich zum Wagen um, als wäre ihm plötzlich etwas eingefallen.
Aus den Augenwinkeln schaute er Jon an, »Ist Dicks 44er da drin?«
»Ja, liegt vorne zwischen den Sitzen.«
»Schnapp sie dir.«
»Warum? Ich habe meinen Colt.«
»Hier geht es um Durchschlagskraft.«
»Bist du sicher, ich ...«
»Ganz sicher, es geht nämlich auch um meinen Arsch. Da habe ich lieber einen Kollegen mit mehr Wumms neben mir.«
Jon öffnete die Beifahrertür, steckte den Colt vorne in die Hose und griff das Gewehr. Eine schwere Waffe. Er hielt die Mündung nach oben und lud es durch.
»Fertig.«
»Gut«, sagte Marten, der ihm durchdringend in die Augen sah, wie Jon es noch nicht bei ihm erlebt hatte. Sein Blick entbehrte jegliche Angst, ganz im Gegenteil, er strömte Ruhe und Konzentration und Kontrolle aus, gespeist aus den überlieferten und weiter erzählten Erfahrungen und Erlebnisse seiner Vorfahren. So kam es Jon zumindest vor.
Und Marten sagte, nachdem er sich so gestellt hatte, dass sie beide aus den Augenwinkeln den Wald und den Platz beobachten konnten, »Ich gehe vor. Meine Shotgun halte ich nach rechts. Du gehst hinter mir und hältst die 44er nach links. Guck dich auch nach hinten um, alle zwei Schritte, kurz. Und wenn sich etwas bewegt, das nicht nach Dick aussieht, schießen wir.«
»Okay.«
»Alle fünf Meter etwa werde ich stehen bleiben, also lauf mich nicht um. Dann suchen wir die Umgebung genau ab.«
»Okay.«
»Und du weißt: Laufen hilft nichts bei einem Bären, bei einem verletzten Bären, nur schießen. Hast du schon mal gejagt?«
»Ehrlich gesagt, nein«, Jon wusste, von welcher Größenordnung Jagd er sprach. Die Kaninchen bei seinem Onkel in Alberta auf der Farm mit dem Kleinkaliber zählten nicht.
»Wenn du einmal auf den Bären geschossen hast, dann höre nicht auf, schieß weiter, bis das Biest still da liegt oder dein Magazin leer ist.«
»Okay.«
»Weiterschießen, verstanden?«
»Ja.«
»Wir wollen schließlich unsere Kinder wiedersehen.«
»Allerdings.«
»Los.«
Andy und Ray waren vor die Trailertür gegangen, damit sie schneller reagieren könnten, sollte es nötig sein. So konnten sie auch besser hören, was hier draußen geschah. Nebeneinander lehnten sie mit ihren Rücken am Wohnwagen.
Andy spürte, wie die Wirkung des letzten Joints, den er vor der Pause im Bagger gequarzt hatte, von dem ausgeschütteten Adrenalin weggeschwemmt wurde. Er wünschte, er könnte sich einen weiteren anzünden, einen Kleinen, ein paarmal ziehen, und alles würde sich etwas besser anfühlen, angenehmer. Aber Ray mochte das nicht während der Arbeitszeit, und er zählte das hier zur Arbeitszeit, schließlich könnte es in einer Stunde weitergehen.
Kelly und er genehmigten sich jeden Tag einen Goodmorningstick, den Zweiten rauchte er während seiner Vormittagsschicht und den Dritten nach dem Mittagessen – der war nun ausgefallen.
Die Browning steckte in Andys großer Seitentasche rechts in der Hose, die Hand hielt den Griff. Er wollte nicht im Moment der Gefahr nach der Waffe tasten müssen.
Hoffentlich konnten sie Dick noch helfen. Wenn Kelly nicht dabei gewesen wäre, er hätte mit ihm abends gesessen und gesoffen. In seinen Augen war Dick der perfekte Drinking-Buddy.
»Was glaubst du, was finden die?«, fragte Andy.
Mit zusammengekniffenen Augen spähte Ray rings um den Wald ab, »Nichts Gutes, fürchte ich, Andy, nichts Gutes.«
»Du glaubst nicht, dass Dick noch lebt?«
Er wusste nicht, wie er das besser formulieren konnte, er wusste nur, dass sich eine Unterhaltung gerade wesentlich besser anfühlte als jede Stille und jedes Schweigen.
Ray kaute hektisch auf dem Streichholz im Mundwinkel, »Nein. Mann. Was für eine
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