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Grolar (German Edition)

Grolar (German Edition)

Titel: Grolar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
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und das war das, was das Leben damals lebenswert gemacht hatte. Und heute in der Summe auch.
    Das hier war Kellys und Andys Tofino, und sie konnten sogar reich dabei werden. Eigentlich taten die beiden etwas weitaus Vernünftigeres als sie damals.
    Spätestens seit sie Cliff hatte, war die Zukunft nicht mehr die nächste Kurve oder die nächste Welle, es war anders geworden – im Vordergrund standen Stabilität und Entwicklung mit einem bisschen Fantasie für ein besseres Leben in einer netten Nachbarschaft mit Menschen, die andere Ziele hatten als bloß ihren Sixpack am Abend.
    »Meinst du, Andy könnte dich im Stich lassen?«
    »So«, sie schnippte mit dem Finger.
    Und das war das.
    »Du hast einen Jungen«, sagte Kelly.
    »Und?«
    »Ehen mit einem Jungen als Kind halten statistisch gesehen länger.«
    Tara wunderte sich, »Was du nicht alles weißt!«
    »Ist so. Die Kerle denken wohl, sie müssten für die Jungs da sein, sonst wird nichts aus ihnen, für die Jungs mehr als für Mädchen, die Mädchen können wir schon mal eher allein erziehen.«
    »Hmh.«
    »Also schätze dich glücklich.«
    Tara breitete die Arme aus und wies um sich, »Juch-hu.«
    Cliff klatschte beide Hände auf das Papier, »Fertig!«
    »Was hast du denn Mami gemalt?«, sie ließ die Arme sinken und ging zu ihm.
    Er lehnte sich auf den für ihn viel zu großen alten Ledersessel zurück, als wäre er der Chef des Claims, ein kleiner Geschäftsführer, mit beiden Händen auf den Armstützen. Er sah erschöpft und erregt zugleich aus.
    Sie drehte den Kopf, damit sie das Bild richtig herum betrachten konnte. Wider Erwarten war es kein Bagger. Es war keine Maschine. Es war ein Tier, und es sah halb wie ein Wolf halb wie ein Bär aus, mit einem roten Kopf, aus dessen Maul Speichel troff, mit dicken Beinen und Krallen.
    Sie wischte sich durchs Gesicht, »Was ist das?«
    »Der Bär.«
    »Welcher Bär?«
    »Den ich gesehen habe.«
    »Der war doch braun.«
    »Nein.«
    »Natürlich, den haben wir doch alle gesehen, am Lagerfeuer, gestern Abend. Braun!«
    »Nicht der.«
    »Welcher dann?«
    Er antwortete nicht sofort.
    »Cliff?«
    »Der im Wald.«
    Sie nahm ihn in den Arm, »Wie, im Wald? Wo? Wann?«
    »Wo ich die Litti gefunden habe.«
    Sie rang mit ihrem Bewusstsein, die Wände schwankten, und der Boden verflüssigte sich.
    Kelly sprang von der Küchenzeile und kam zu ihnen.
    »Und das da«, er zeigte auf eine Blume, »das bin ich! So groß war der!«, und dabei nickte er heftig mit seinem kleinen Kopf.
    Die Überzeugung und der Ernst seiner Behauptung pumpten Tara das Blut aus dem Kopf. Cliff war zwar erst drei, aber ein Übermaß an Fantasie würde sie ihm nicht zusprechen. Außerdem waren seine Zeichnungen von Baggern im Verhältnis zu den Strichmenschen in den jeweiligen Kabinen relativ akkurat.
    »Ein roter Kopf?«
    »Ja.«
    »War das ... auch der bei dem Erdrutsch?«, fragte sie vorsichtig mit der Angst vor der Antwort in ihrer Stimme.
    »Ja.«
    Kelly stotterte, »Was? Ihr ... ihr habt ihn schon mal gesehen?«
    Tara ignorierte sie und stürmte mit der Zeichnung zur Tür, um sie Ray und Andy zu zeigen. Sie drehte die Klinke, schwang die Tür auf, aber die beiden waren verschwunden.
    Kein Andy, kein Ray.
    Sprachlos schaute sie zu Kelly, die ihr gefolgt war.
    Sie zischte wütend, »Das meinte ich, das habe ich dir doch gesagt. Ich checke die Matratze, du weißt schon, warum.«
    Mit langen Schritten marschierte sie den Flur entlang zum anderen Ende des Wohnwagens, vorbei an der Küchenzeile und dem Bad und der Abstellkammer.
    Tara knallte die Tür zu.
    Cliff guckte sie an, »Gefällt dir mein Bär nicht, Mami?«
     
     
Marten machte keine Anstalten weiterzugehen. Insektenwolken schwirrten um ihre Köpfe. Das Camp war von hier nur zu erahnen.
    Hatte er etwas gesehen? Oder überlegte er, endlich umzukehren, die Suche abzubrechen, weil es keinen Sinn machte, weil das Unterholz viel zu tief war und das Geäst zu dicht. Sie könnten einen Meter an Dick vorbeigehen, sie würden ihn nicht finden.
    Warum ging er nicht weiter?
    »Ist was?«, wisperte Jon. Dennoch kam ihm seine Stimme viel zu laut vor. Kein Wort hatten sie gewechselt, seit sie den Wald

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